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Jahresbericht Dez 2003 -
Grüsse aus dem Eis |
Liebe Freunde und Förderer des Blindenzentrums
Tibet!
Dieser Rückblick wird nicht wie gewöhnlich in
Tibet, sondern im eisigen Ladakh verfasst. Da sitze ich in meinem
Zimmer mit
Schal, Mütze und Daunenjacke, habe meinen Daunenschlafsack um mich
gewickelt und hoffe, dass mein Laptop die Kälte überstehtund
die Elektrizität mich nicht gleich wieder im Stich lässt. Man
hatte mir gesagt, ich solle mir wegen der Kälte in Ladakh keine
Sorgen
machen, denn es scheine jeden Tag die Sonne, und von den Temperaturen
um
-20 Grad in der Nacht könne man sich tagsüber schnell wieder
erholen. Leider musste ich anderes erfahren, denn von den vier Wochen,
die ich bereits in diesem Winter in Ladakh zugebracht habe, wurden mir
lediglich
zwei sonnige Wochen beschert. Es ist nicht wirklich gemütlich,
morgens
bereits frierend den Tag zu beginnen und Eis vomWaschwasser hacken zu
müssen.
Aber so bleibt der Kopf wenigstens klar und immer frisch.
Das Jahr 2003 war bisher wohl unser aktivstes, aber auch
erfolgreichstes. Alle unsere Wünsche und noch viel mehr konnten in
diesem Jahr realisiert werden. Wir möchten uns darum im Namen der
Kinder und Mitarbeiter
ganz herzlich bei allen Freunden und Förderern des Projektes
bedanken,
denn alles, was in diesem Bericht geschrieben steht, ist auch Resultat
Ihrer grosszügigen Unterstützung und Solidarit
I. Meilensteine neuer Entwicklung
- Ladakh: Vorbereitung für ein neues
Blindenzentrum
- Das neue Farmprojekt
II. Konzeptionelle Weiterführung unseres
Projektes in Tibet
- Die Ausbildung blinder Kinder,
Jugendlicher und Erwachsener
A. Frühförderung (Mauseklasse)
B. Orientierungsstufe (Tigerklasse)
C. Vorbereitende Regelschulklasse (Hasenklasse)
D.
Berufsausbildung/Erweiterung der Berufsausbildung in 2003
- Hilfe bei der Selbstintegration
A. Die ersten Schüler verlassen das Blinden-Zentrum
B. Einschulung der ersten vier Abgänger
C. Selbstintegration in unterschiedliche Berufe
D. Neue Kinder
- Die Erstellung von Hilfsmitteln und
Lernmaterialien
A. Der Oktopus
B. Spiele und Hilfsmittel
C. Neue Bücher
III. “Braille Without Borders“ in
der Öffentlichkeit
- Evaluation
- Neuer Vertrag mit der Regierung
- Tag des weißen Stockes
- Zum Ritter geschlagen
- Ein neuer Film von Uwe Gooss
- Internationale Presseartikel in 2003
IV. Aktivitäten
- Wichtige Erneuerungen in Gebäuden des
Blinden-Zentrums in Lhasa
- Ein Theaterstück von Kyla „What a
beautiful sight“
- Workshop zu HIV / Aids
- Bootsfahrt auf dem Kyicho
- Austausch mit dem tibetischen
Gehörlosen-Projekt
- Birnen-Business
V. Verschiedenes
- Hospitierung einer
Blindenpädagogik-Studentin
- Weihnachtskarten
VI. Pläne für das Jahr
2004
- Trainingsfarm
- Blinden-Zentrum Ladakh
- Ausbildungszentrum in Kerala / Südindien
- Kletterkurs
1I. Meilensteine neuer
Entwicklung
1. Ladakh, Vorbereitung für
ein
neues Blindenzentrum: WORKSHOP
Vor etwa zwei Jahren erhielten Paul und ich einen Brief aus Ladakh. Er
kamvon Dr. Smanla Punzog, einem dort bekannten Augenarzt, der für
das buddhistische Zentrum Mahaboddhi arbeitet. Er hatte durch
unterschiedliche Quellen von unserem Projekt gehört und bat uns
nun, bei dem Aufbau einer Blindenschule behilflich zu sein. Wir
bekommen bereits Anträge dieser Art aus den verschiedensten
Ländern. Da aber Ladakh kulturell und sprachlich der Autonomen
Region Tibet am nächsten steht, schien diese Region für uns
als Prüfstein vor der internationalen Ausweitung unserer Projekte
gut geeignet zu sein. Auf meinen Reisen nach Ladakh nahm ich Kontakt
mit unterschiedlichen Organisationen auf, u.a. natürlich auch mit
dem bereits erwaehnten Zentrum
Mahaboddhi. Das Zentrum möchte gerne etwas für blinde Kinder
tun. Und obwohl es sich um ein buddhistisches Zentrum handelt,
möchte der Leiter Sanga Sena eine Grundschule für Blinde
aller
Religionen einrichten. Dafür brauche er unsere Hilfe. Auch das
Hillcouncil,
die lokale Regierung, war davon angetan, eine spezielle
Blindenausbildung
für ladakhische Blinde, im Besonderen ein Rehabilitations-Zentrum
im
Stile unseres tibetischen Blindenzentrums einzurichten. Und kurz vor
meiner
Abreise hatte ich eine Sitzung mit dem Sozialminister, in dem man mir
sagte,
man habe jetzt entschieden, unserer Organisation "Braille ohne Grenzen"
Land zu einem Bau eines Rehabilitations- und Trainingszentrum zur
Verfügung zu stellen. Nach Aufbau und Einrichtung
dieses Zentrums will die Regierung die laufenden Kosten
übernehmen. In der Nähe des Marktplatzes von Leh mietete ich
für ein Jahr einen Büroraum, in dem ich Unterlagen und
Hilfsmittel, die ich vom
Workshop übrig habe, verstauen kann. Das Büro ist ein grosser
und heller Raum, mit Fenstern nach Süden und nach Osten. Es
befindet
sich im Malpak Distrikt, in einer Herberge, das von einer sehr netten
Familie
geführt wird. Als Kontaktperson habe ich Manzur, den blinden
Moslem
eingestellt. Er ist überaus intelligent und sehr bereit,
Hartnäckigkeit
zu zeigen, wenn es darum geht, der Regierung auf die Füsse zu
treten, falls sie ihre Versprechen vergessen sollte.
Etwas ausserhalb von Leh, mitten in der Wüste auf dem Gelände
einer NGO mitNamen Secmol, organisierte ich zunächst einmal einen
Workshop für Blinde und für diejenigen, die später
einmal mit Blinden arbeiten wollen. Der viertägige Workshop hatte
zwar nur sieben Teilnehmer, aber dafür ein recht grosses
Medien-Aufkommen. Es kamen die drei blinden Erwachsenen, mit denen ich
schon vorher Kontakt hatte, ein Opthomotrist vom Mahaboddhi-zentrum und
an den
ersten zwei Tagen die drei Ärzte, die uns der Gesundheitsminister
angekündigt hatte. Zwei weitere blinde Erwachsene hatten nach
längerem Zögern doch zu viel Angst, sich auf eine Woche
ausserhalb ihrer gewohnten Umgebung einzulassen. Aber auch wenn es nur
so wenige Teilnehmer gab, war der Workshop alles in allem ein grosser
Erfolg. Alle genossen die Umgebung, die unterschiedlichen
Aktivitäten und im Besonderen die allmorgendlichen
Diskussionsrunden, in denen die blinden
Teilnehmer für ladakhische Verhältnisse sehr offen von ihrem
Leben, von Ängsten, Wut, Trauer und von Wünschen
erzählten. In der letzten Gesprächsrunde bat ich die Blinden,
sich einmal zu
überlegen, wie ihr Leben wohl verlaufen würde, wenn sie
nicht blind wären. Manzur, der gerne die Trainings- und
Aufklärungsarbeit von Braille ohne Grenzen in Ladakh
übernehmen möchte, sagte,
er würde aufgrund seines Temperamentes wohl ähnliches
soziales
Engagement entwickelt haben. Er hätte es auf der einen Seite wohl
leichter gehabt, eine gute Ausbildung zu bekommen, andererseits fiele
ihm
das soziale Engagement und das Wissen, wie und vor allem, was zu tun
sei,
sehr viel leichter, da er selbst betroffen sei und die Bedürfnisse
von Blinden besser einschätzen könne. Die in Ladakh sehr
bekannte
Sängerin Tubche Dolma reagierte auf meine Frage folgendermassen:
"Wenn
ich sehen könnte, lebte ich immer noch in meinem abgelegenen Dorf,
wäre verheiratet und hätte drei Kinder. Ich hätte nicht
die
Möglichkeit, Sängerin zu werden und vor allem hätte ich
nicht
die Gelegenheit gehabt, so viel neues wie in den letzten Tagen zu
lernen
und zu erleben."
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2. Das neue Farmprojekt
Das Farmprojekt hatte ungleich der anderen Pläne und Projekte eine
lange und
schwierige Geburt. Es war nicht so schwer, Sponsoren für dieses
Projekt ausfindig zu machen, aber durch die Langwierigkeit der lokalen
Bürokratie gingen uns einige finanziellen Stützen wieder
verloren. Um die Schwierigkeiten, denen wir hier in Tibet ausgesetzt
sind, einmal deutlich zu machen, möchte ich die
Hintergrundgeschichte des Farmprojektes erzählen.
September 1998
Wir entwickeln ein Konzept und eine Zukunftsplanung
für das gesamte Rehabilitations- und Trainingszentrum, in dem
bereits
eine Trainingsfarm zur Ausbildung von Nomaden und Bauern, die spät
erblindet sind, enthalten ist.
Januar 2000
In der Organisation "Dark and Light" finden wir einen Interessenten,
die Traininsfarm zu finanzieren. Die Organisation will
uns € 84.000 für den Bau und für das Training bereitstellen,
sobald Land gefunden würde.
September 2001
Die tibetisch-chinesische Regierung erklärt sich bereit, uns
über TDPF für dieses Vorhaben Land zur Verfügung zu
stellen. Der Direktor von "Dark and Light" kommt zu Besuch und darf
das vorgesehene Stück Land von etwa 13.000 Quadratmetern
besichtigen.
März 2002
Es wird uns gesagt, dass die Bauarbeiten an der Farm wahrscheinlich im
Mai 2002 starten können, wir müssten nur auf die
Landmarkierung durch das Land-Department warten.
Juni 2002
Krisensitzung mit TDPF. Sie erklären, dass wir
einen Teil des Landes an TDPF für den Bau einer
Rehabilitations-Einrichtung zurückgeben sollen. Übrig bleiben
nur noch 1.300 Quadratmeter.
Ausserdem hätten wir durch eine Landschenkung von der Regierung
nicht das Recht, selbstständig zu bauen und wir könnten auch
nicht eigenhändig entwerfen. Zudem hätten wir nicht die
Erlaubnis, selbst Leute einzustellen. Eigentlich sagt man uns klar, wir
sollten das Geld TDPF zur Verfügung stellen und sie würden
sich
dann überlegen, was damit geschehen soll. Wir können uns mit
diesen Bedingungen nicht einverstanden erklären und suchen nach
einer
anderen Lösung. (Das Rehabilitationszentrum von TDPF ist bisher
nicht
gebaut worden und niemand redet mehr davon).
August 2002
Von einem Kloster bekommen wir ein Angebot für
ein Stück Land ein wenig ausserhalb von Lhasa. Das Stück Land
ist wunderschön, es hat einen grossen Baumbestand, ein grosses
Schwimmbad und viele Gebäude, die sich als
renovierungsbedürftig erweisen. Das Land kostet inklusive
Gebäude 2.000.000 RMB, also ungefair 225.000 Euro. Es bietet viele
Möglichkeiten und ist sogar mit dem Fahrrad
von Lhasa aus zu erreichen.
September 2002
Wir informieren den Vorstand von dieser Möglichkeit und bekommen
die Zusage, Gelder dafür nutzen zu können.
Ende September 2002
Der Mönch, der mit den Verhandlungen über
das Land betraut wurde, zieht sein Angebot zurück. Andere, aber
sehr
viel schlechtere Optionen werden angeboten. Bei einem Angebot ist das
Gebäude Asbest verseucht, andere Angebote bestehen aus
hässlichen
Fabrikbaracken.
Oktober 2002
Das Kloster ändert seine Meinung. Es ist doch bereit, das Land zu
verkaufen. Ein Vorkaufvertrag wird mit dem Mönch abgeschlossen.
November 2002
Das Auswärtige Amt stellt sich gegen einen Kauf mit folgender
Begründung: Es gäbe kein Gesetz, das für oder gegen
einen Kauf sprechen würde, also sei eine Finanzierung durch
Braille Ohne Grenzen und eine Überhändigung an TDPF nicht
möglich.
Dezember 2002
Das Auswärtige Amt ändert seine Meinung. Es sei doch
möglich, aber es müsse durch das Land- und das
City-Planing-Amt autorisiert werden.
März 2003
Von Deutschland aus schreiben wir einen Brief, dass
die Entscheidung bald getroffen werden muss.
April 2003
Wir bekommen die Zusage vom Auswärtigen Amt, das Land finanzieren
zu dürfen, müssen aber zunächst den Projektvertrag mit
TDPF um drei weitere Jahre verlängern. Für diese
Verlängerung brauchen wir aber zunächst eine externe
Evaluation. Der Evaluator, ein von uns ausgewählter Anthropologe
Dr. Mondoragon, kann aber nicht ins Land, da die TAR wegen SARS
abgeriegelt wird.
Mai 2003
Keine Kooperation mit dem Mönch, er reagiert nicht mehr auf unsere
Bitte, die Eigentumspapiere unserem Counterpart vorzulegen.
Juli 2003
Das Schweizer Rote Kreuz macht folgenden Vorschlag:
Seit etwa 10 Jahren unterstützt das Schweizer Rote Kreuz eine
tibetische Medizin-Schule ("Pelshong-Schule"). Die Zusammenarbeit mit
dem zuständigen Mediziner und Ausbilder läuft scheinbar nicht
wirklich zufriedenstellend. Das Land der Pelshong-Schule wurde durch
die tibetische NGO (Tibetan Development Fund) zur freien Verfügung
gestellt. Es umfasst etwa 100.000 Quadratmeter. Das Rote Kreuz hat auf
diesem Land Häuser bauen lassen. Eines ist sogar von Paul
Kronenberg entworfen und vor 2 Jahren gebaut worden. Da die
Pelshong-Schule durch das Rote Kreuz nicht mehr weiter unterstützt
werden soll, hat sich der Delegierte des Roten Kreuzes an uns gewandt
und hofft darauf, dass wir Gebäude und Land für die geplante
Trainingsfarm nutzen können.
August 2003
Sponsoren für die Trainingsfarm springen ab, das Warten wird ihnen
zu lang.
September 2003
Erfolgreiche Sitzung mit dem Besitzer des Shigatse-Landes TDF. Nach
einer
Besichtigung des Zentrums erklären sie sich bereit, alles weitere
fürs Land in Bewegung zu setzen.
November 2003
Besichtigung des Grundstückes durch TDF, TDPF,
Rotes Kreuz und Braille ohne Grenzen. Der jetzige Landnutzer ist mit
der
Übergabe einverstanden. Nach vielen Sitzungen mit TDF und TDPF
will
TDF uns das Land für die nächsten 15 Jahre mindestens
unendgeldlich
zur Verfügung stellen.
Dezember 2003
Ein Vertrag wird zwischen Braille Ohne Grenzen, TDF
und TDPF geschlossen. Land und Gebäude werden für
15 Jahre frei zur Verfügung gestellt. (Siehe Anlage)
Diese Trainingsfarm wird in Zukunft zur Ausbildung von erwachsenen
Blinden in den folgenden Berufen genutzt:
Handwerkliche Berufe:
Käserei, Töpferei, Korbflechterei, Teppichknüpferei.
Darüberhinaus: Stricken, Weben, Schreinern usw.
Landbau:
Bewirtschaftung von Grünhäusern, Bestellung von Gemüse-
und Getreidefeldern,
Baum- und Obstbaumpflege, Kompostierung.
Tierhaltung:
Pferdehaltung (Reiten, Pferdeausbildung, Pferdemedizin)
Hühnerhaltung, Schweinehaltung, Fischzucht und
Rinderhaltung.
Kaufmännischer Bereich:
Vermarktung und Verkauf der Produkte.
Auf dem Land befinden sich bereits Bauern, die sich
um zwei Kühe und die
Getreidefelder kümmern. Wir haben beschlossen,
diese Bauern als Angestellte zu übernehmen. Durch die
Getreidefelder wird bereits ein Jahreseinkommen von ungefaehr 30.000
RMB garantiert.
Vom Schweitzer Roten Kreuz bekommen wir einen sehr verspielten
Antilopen geschenkt.
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II. Konzeptionelle
Weiterführung unseres Projektes in Tibet
Seit fünf Jahren wird das Projekt stetig
entwickelt.
Anders aber als andere Projekte gab es vor Beginn des Projektes, keine
grossartigen Studien, Evaluationen oder Logframes, an denen wir uns
orientieren
konnten. Instinkt und Flexibilität hat uns so weit gebracht, wie
wir jetzt sind und nach einer Aufbauphase von fünf Jahren sehen
wir die folgende Struktur in diesem Projekt:
Das Rehabilitations- und Trainingszentrum umfasst drei grosse
Bereiche:
a) die Ausbildung blinder Kinder, Jugendlicher und Erwachsener und ihre
Vorbereitung auf die Selbstintegration,
b) die Erstellung von Hilfsmitteln und Lehrmaterialien
c) Hilfe zur Selbstintegration.
1. Die Ausbildung blinder Kinder,
Jugendlicher und Erwachsener
Die Ausbildung beinhaltet Bewegungstraining und den
Erwerb von blindenspezifischen Techniken, sowie Brailleschrift,
lebenspraktische Fertigkeiten und Mobilität. Da Blinde
verschiedener Alterstufen und mit unterschiedlichen Voraussetzungen zu
diesem Projekt Zugang haben sollten, gliedert sich die Ausbildung in 4
Teilbereiche:
A. Frühförderung
Eine Ausbildung, die zur Selbstständigkeit und Selbstbewustsein
führen soll, kann nicht früh genug beginnen. Aus diesen
Überlegungen haben wir auf Wunsch der Eltern auch Kinder zwischen
drei und sieben Jahren in das Projekt aufgenommen. Und so wurde Anfang
Mai diesen Jahres die "Maus-Klasse" eröffnet. Die drei bis
siebenjährigen Schülerinnen und Schüler werden neben der
englischen und chinesischen Umgangssprache auch in motorischen
Übungen, sowie in lebenspraktischen Fertigkeiten unterrichtet.
Zudem wird ihre Fingerfertigkeit geschult, was für das
spätere Erlernen der Braille-Schrift von grosser Bedeutung ist.
B. die Orientierungsstufe
(Tigerklasse)
Die Orientierungsstufe ist die zweite Stufe des Ausbildungsbereiches.
In ihr werden Blinde aller Altersstufen, die neu zum Projekt kommen
für ein Jahr in blindenspezifischen Techniken unterrichtet. Zudem
erlernen sie die Grundzüge der chinesischen und englischen
Umgangssprache. Mit Abschluss der Orientierungsstufe können sich
die Schülerinnen und Schüler zu einem weiteren Werdegang
entscheiden:
a) Re- und Selbstintegration in einem selbst gewählten Umfeld.
b) Einschulung in die "School for the blind and deaf, Lhasa"
c) Ausbildung in einem Beruf
d) Ausbildung in der vorbereitenden Grundschulklasse, "Hasen-Klasse",
die zum Ziel die Selbstintegration in einer
Regelschule hat.
C. Vorbereitende Grundschulklasse
(Hasenklasse)
Die Hasen-Klasse bereitet die Schülerinnen und Schüler auf
die Integration in der Regelschule vor. Hier erlernen sie
flüssiges Lesen und Schreiben in drei verschiedenen Sprachen und
mit drei
verschiedenen Braille-Schriftsystemen. Aber nicht nur in fachlicher
Hinsicht, sondern auch in ihrer Mobilität und in ihren sozialen
Kompetenzen sollen die Kinder nach Abschluss der einjährigen
Vorbereitungsstufe in der Lage sein, sich selbst in einer Klasse mit
sehenden Kindern zu integrieren.
D. Die Berufsausbildung
Die Berufswahl für blinde Jugendliche und Erwachsene soll durch
unser Angebot nicht eingegrenzt werden. Das Angebot soll lediglich als
Vorschlag für einen möglichen Beruf verstanden werden, der
einerseits in der tibetischen Gesellschaft gebraucht wird, andererseits
von Blinden auszuführen ist. Die blinden Jugendlichen und
Erwachsenen werden dazu angehalten, auch ihre eigenen
Zukunftspläne und Berufsideen zu entwickeln.
In folgenden Berufen werden Schülerinnen und Schüler bereits
ausgebildet:
a) Medizinische Massage und Physiotherapie,
b) Musik
c) Computer
Erweiterung der Berufsausbildung
Intensivkurse in medizinischer Massage und
Physiotherapie.
Wie jedes Jahr kam auch in diesem Frühjahr die
blinde Physiotherapeutin Monique Assal und bereitete die
Massage-Schüler in sehr intensiver Weise auf selbstständiges
Arbeiten vor. Sie seien bereit, so Monique, eine eigene Praxis
aufzumachen. Zudem wurden sie zu Gymnastik-Lehrern ausgebildet und
konnten nun den Gymnastik- und Bewegungstraining- Unterricht der Mause-
und Tigerklasse übernehmen. Die 17jährige Dolma wurde
erfolgreich in die zweite Massageklasse integriert. Mit Hilfe der
anderen Schüler kann sie den Stoff schnell aufholen.
Im Herbst diesen Jahres gab es einen weiteren Intensivkurs in
medizinischer chinesisch traditioneller Massage. Der vierwöchige
Kurs wurde durch die chinesische Blindenorganisation angeboten und von
einem erfahrenen Massage-Arzt geleitet. Er war erfreut und sehr
überrascht, wieviel die Schüler und Schülerinnen bereits
wussten. Er brauchte nicht mehr auf die Grundlagen einzugehen, sondern
ging gleich auf spezielle Behandlungsmethoden von
Erkältungskrankheiten und anderen Beschwerden über. Am Ende
des Kurses bekamen alle eine offizielle, in China anerkannte und hoch
respektierte Lizenz, so dass jeder der Schüler eine eigene
Massagepraxis eröffnen kann.
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2.
Hilfe bei der Selbstintegration
Das Grundkonzept des Rehabilitations- und Trainingszentrums ist
daraufhin ausgelegt, dass die Schülerinnen und Schüler, die
unsere Ausbildung durchlaufen, nach möglichst ein bis zwei Jahren
in der Lage sind, sich in Schule oder Beruf, also
in der Gesellschaft zu integrieren. Für eine erfolgreiche
Selbstintegration ist nicht in erster Linie die genaue Kenntnis
von Spezialtechniken Voraussetzung, als viel wichtiger sehen wir
soziale Kompetenz und Selbstvertrauen, ohne Scheu und Scham auf Sehende
zuzugehen, mit Sehenden interagieren zu können. Von vielen
Besuchern kamen Bedenken, ob unsere Schülerinnen und Schüler
überhaupt bereit seien, die relativ luxuriöse Einrichtung
mit sehr familiärer Atmosphäre zu verlassen. Wir waren
uns auch lange unschlüssig, wie die Kinder auf diese neue
Phase ihres Lebens reagieren würden. Behutsam sprachen wir
Anfang letzten Jahres das Thema "Selbst-Integration" an. Die
Reaktionen waren höchst unterschiedlich: Bungzo und Nyima, die zu
den ersten vier Integrations-Schülern gehören sollten,
jaulten jedesmal laut auf, wenn wir nur das Wort "reguläre Schule"
in den Mund nahmen. Kyila jedoch, die kurz vor Abschluss ihrer
dreijährigen medizinischen Massage-Ausbildung stand und zusammen
mit Diggi eine eigene Massage-Praxis in Lhasa eröffnen wollte,
empfand die Loslösung vom Zentrum als ein grosses Abenteuer. Im
Geiste begann sie bereits eine virtuelle Wohnung
einzurichten und plante mit Yudon eine Wochenendschule, in der
die beiden Englisch-Nachhilfe geben wollten. Diesen Abenteuer-Gedanken
übernahmen wir und bereiteten so die etwas ängstlicheren
Schüler
vor.
Ich verglich unser Zentrum mit den heissen Quellen von Therdom, die von
den meisten unserer älteren Schüler bereits besucht wurden.
Die Quellen sind wohlig warm, gesund, energiespendend und es macht
Spass darin zu baden. Nach einer Weile wird man
aber müde und schlapp und die Haut wird runzelig und alt.
Es ist daher wichtig, den richtigen Zeitpunkt zu finden, rauszugehen.
Traumfabrik
In diesem Sommer gab es eine Krise, die das behutsam aufgebaute
Selbstvertrauen um ein Vielfaches wieder zurückzuwerfen drohte.
Diese Krise hatte mit einem unserer Lehrer zu tun, der aus falsch
verstandener Motivationstaktik den Schülern, die bald die
Einrichtung verlassen sollten, erklärte, dass sie sich anstrengen
könnten wie sie wollten, sie würden doch nur als Bettler
auf dem Barkhor landen. Bungzo meinte daraufhin, sie wolle
Toilettenfrau
werden, das sei das einzige, was sie könne. Ich erwiderte, dass
sie dann sicherlich eine Luxus-Toilettenfrau sein würde, denn sie
sei bestimmt die erste Toilettenfrau, die drei Sprachen fliessend
spräche und darüber hinaus Computerkenntnisse
habe. Um die Kinder wieder neu zu ermutigen, an ihre Fähigkeiten
und besonders an ihre Zukunft zu glauben, organisierten Paul und
ich eine Traumfabrik, in dem die abgehenden Schüler ihren
schönsten und farbigsten Zukunftstraum entwerfen sollten. Eine
Woche lang
arbeiteten alle Abgänger fieberhaft an ihrem Traum. Das Ergebnis
war verblüffend! Alle Kinder verfassten ihren Traum in englischer
Sprache. Einige kreierten eine richtige Radioshow auf Cassette,
mit Musikfanfaren im Hintergrund und verheissungsvollen Reden und
Ankündigungen.
Alle Kinder hatten zunächst einmal das gleiche Grundziel. Sie
wollten noch viel lernen und später einmal sehr reich sein. Das
Geld, und da waren sich alle einig, sollte nicht für privaten
Spass verwendet werden. Einige wollten Blindenschulen aufbauen,
andere Krankenhäuser, wieder andere Altersheime. Gyendsen (17 Jahre alt) z. B. möchte
Businessmann werden, er möchte Bücher verkaufen und
mit dem Geld will er dann unser Zentrum in Lhasa fördern.
Paul und ich können uns nur allzu gut vorstellen, wie wir
in zehn Jahren einmal in Gyendsens Vorzimmer sitzen und schüchtern
einen Finanzantrag formulieren. Norbu (13
Jahre alt) möchte Käsefabrikant werden und mit dem Geld
mindestens zwei Blindenschulen und seine Eltern unterstützen. Jampa (19
Jahre alt) erträumte sich ein Teehaus, das er zusammen mit seinem
blinden Vater und seinem ebenfalls blinden Zwillingsbruder Dorje in
seinem Heimartdorf aufbauen möchte. Es soll einen schönen
Garten haben, in dem sich Gäste entspannt unter Bäumen
zurückziehen können. Das wichtigste aber, so sagt er, sei
eine saubere Toilette. Jampa hat mit diesem Gedanken in der Tat den
Nagel auf den Kopf getroffen. Sein Dorf ist an der Hauptstrasse von
Lhasa nach Kathmandu lokalisiert. Es befindet sich in der Nähe von
Lhatse, einer unheimlich hässlichen Trucker-Stadt. Auf der
gesamten Strecke zwischen Shigatse und
Lhatse gibt es tatsächlich keine wirklich einladenden
Teehäuser und erst recht keine sauberen Toiletten. Jampa
glaubt, unseres Erachtens zu Recht, dass gerade der Gedanke einer
sauberen Toilette viele Touristen anlocken wird. "Und vielleicht," so
sagt er, "erleben auch Tibeter, wie schön es sein kann, auf eine
saubere Toilette gehen zu dürfen."
Selbst-Integration in den unterschiedlichen Berufen
Jampa wird wohl schon sehr
bald seinen Traum verwirklichen.
Nachdem wir lange mit ihm und seinem Vater über die Machbarkeit
eines solchen Teehauses sprachen, bewilligten wir einen Zinsfreien
Kleinkredit von etwa €500, mit dem die erste Einrichtung realisiert
werden kann. Jampa möchte aber alles bis auf den letzten Yuan
zurückzahlen und dann, wenn der Laden läuft, will er einen
bestimmten Prozentsatz dem Projekt als Unterstützung geben.
Paul hat bereits eine Bauzeichnung angefertigt und wird im
nächsten Frühjahr die Bauleitung überwachen.
Chilä, einer unserer
ersten Schüler, hat die Musikausbildung in unserem Zentrum beendet
und ist, ausgestattet mit mindestens vier Mundharmonikas, einem
Kassettenrekorder und einem ganzen Sack voller Geschenke, wieder in
sein Dorf zurückgekehrt. Er ist ein sehr guter Sänger und ein
Virtuose auf der Mundharmonika und wird sicherlich sein Umfeld
musikalisch bereichern. Auf die Frage,
wie er sich denn fühle, jetzt wieder nach Hause gehen zu
können,
meinte er: "es war schön im Zentrum, aber Zuhause ist es auch
schön."
Norbu, der mit Tieren gross
geworden ist und über einen sehr praktisch-technischen Verstand
verfügt, möchte keine weitere Schulausbildung. Er
möchte, sobald die Trainingsfarm aufgebaut ist, zu ihr
überwechseln, um dort seinen Traum, Käsefabrikant zu werden,
wahrzumachen.
Tensin Metog hatte es wohl am
schwersten, sich mit dem Gedanken, das Zentrum zu verlassen,
anzufreunden. Zunächst weinte sie fürchterlich und bat uns,
ihr doch einen Job im Zentrum zu verschaffen. Die Mitarbeiter
erklärten ihr, wie gut sie es doch habe, da sie nicht sehr weit
vom Zentrum entfernt lebe, sehr liebevolle und aktive Eltern habe und
von niemanden
mit ihren Wünschen alleine gelassen würde. Schliesslich
entwickelte sie den Plan, einen kleinen Laden in ihrem Dorf aufzubauen
und so begann sie sich wie die anderen auch auf das Abenteuer
"Zukunft" zu freuen.
Diggi und Kyila, 22 und 17
Jahre alt, haben ihre dreijährige medizinische
Massage- und Physiotherapie-Ausbildung erfolgreich abgeschlossen. Durch
Tashi Zering, einem bekannten tibetischen Autor und langjährigen
Freund des Projektes, bekamen sie die Möglichkeit, eine
Zweizimmerwohnung in der Nähe des Barkhors zu mieten und als
Massagepraxis und Wohnung einzurichten. Sie möchten auf eigenen
Füssen stehen, selbst einkaufen und kochen und Paul und mich
abends
einmal zum Essen einladen. Auch wollen sie ihren eigenen
Patienten-Stamm aufbauen. Es soll eine Massage-Klinik nur für
Frauen werden, für einheimische und für Touristinnen. Solange
der
Kundenstamm noch nicht gross genug ist, werden sie tibetische und
chinesische Brailleschrift so wie Mathematik-Schrift und Gymnastik in
der Frühförderung und der Orientierungsstufe
unterrichten.
Einschulung der ersten vier
Abgänger: Die Kinder unseres Zentrums
Die Einschulung vier unserer Schüler
in eine reguläre Internatsschule war eines unserer wichtigsten
Ziele, die wir in diesem Jahr realisieren konnten. Über zwei Jahre
hinweg wurden wir von unserem Counterpart vertröstet, doch noch
etwas zu warten, die Kinder seien vielleicht dazu
bereit, aber die Gesellschaft noch nicht. Im diesem Sommer
baten wir die Organisation Save The Children um Hilfe. Die Organisation
kümmert sich vornehmlich um die Ausbildung in Tibet und kannte das
lokale Erziehungsamt der Region um Medrogonga sehr gut. Ein wenig
ausserhalb von Medrogonga gibt es eine gut ausgestattete
Internatsschule, die vor etwa zehn Jahren von einer
schwedisch-tibetischen Organisation aufgebaut und finanziert wurde.
Nach etwa fünf Jahren wurde sie von der Regierung übernommen.
Diese Schule hatten wir bereits vor geraumer Zeit als die ideale
Integrationsschule anvisiert. Es ist ein schönes Gelände, die
Gebäude sind im relativ gutem Zustand und nicht so
vernachlässigt wie in anderen schulischen Einrichtungen, die
Lehrer sind
sehr motiviert und engagiert, kurzum, es herrscht dort eine
gute und freundliche Atmosphäre. Anfang September vereinbarten wir
eine Sitzung mit dem lokalen Erziehungsamt. Zunächst Hiess es, wir
sollten die Kinder in Lhasa lassen, und erst einmal allein mit der
Regierung sprechen. Dann kam aber die Meldung, wir sollten
die Kinder doch mal mitbringen. Als wir dann schliesslich in
Metrogonga ankamen, schien es keine Sitzung mehr geben zu müssen,
man brachte uns gleich für einen Leistungstest
in die schwedische Schule. Von Anfang an behandelten die Lehrer
und der Direktor unsere Kinder, Sonam Bongso, Gyendsen, Nyima und
Yudun mit viel Sympathie und Offenheit. Der Einstufungstest schien
für alle ein grosser Spass. Die Kinder wurden in Englisch,
Chinesisch, Mathematik und Tibetisch getestet und alle Fächer
meisterten sie mit Bravour und einem grossen lässigen Grinsen. In
Englisch waren sie dem Englischlehrer ein wenig überlegen. Der
aber machte sich nicht viel daraus und meinte, er würde gerne mit
ihnen viel Englisch reden, damit er in Übung bliebe. Am Ende des
Tages luden wir die zukünftige Klasse und ihre Lehrer zu uns nach
Lhasa ein. Diese Einladung war sehr wichtig, denn so konnten sich die
Kinder aneinander gewöhnen. Erste Freundschaften wurden bereits
geschlossen und die sehenden Kinder lernten etwas über die Welt
ihrer blinden Klassenkameraden. Am zweiten Oktober wurden dann die
Kinder mit all ihren gedruckten Büchern, mit ihren neuen
Wintersachen und vielen Geschenken der Mitarbeiter und der verbliebenen
Kinder in die schwedische Schule aufgenommen. Es gab wohl die ein oder
anderen Bedenken, ob die Kinder es
schafften. Wir hatten die Befürchtungen, dass
sie sich nicht wirklich zu Hause fühlen könnten, denn, so
sagten sie, das Essen sei im Vergleich zum Essen im Zentrum absolut
nicht schmackhaft und sie Seien gezwungen, sich morgens im Fluss
zu waschen. Die anderen Kinder würden sich nicht die Zähne
putzen und sonst auch sich nicht so viel waschen, aber sie seien
es nun mal gewöhnt, sauber zu sein.
Die Lehrer der schwedischen Schule hatten die Befürchtungen, sie
würden sich auf dem grossen Gelände nicht zurecht finden und
vielleicht auf Dauer auch nicht wirklich im Unterricht klarkommen. Alle
unsere Befürchtungen waren unberechtigt. Schon nach nur vier
Wochen waren die Kinder vollkommen integriert. Sie sehen gesund,
lebendig und gutgelaunt aus. Sie haben in der Schule Freunde und Feinde
(Gyendsen hat sogar einige Anbeterinnen) und sie kommen äusserst
gut mit dem Unterrichtsstoff in allen
Fächern klar. An einem Nachmittag nahmen wir Wangchen Gelek
und Chünpel, die beiden Präsidenten unseres Couterparts
auf einen Besuch mit. Wir schlichen in den Chinesisch-Unterricht,
und alle waren begeistert, mit welchem Eifer unsere Kinder im
Unterricht mitmachten. Der Direktor erzählte nicht ohne
Stolz, wie die Blinden ein Schwedisches Filmteam über den Campus
führten. Sie seien die einzigen gewesen, die sich wirklich
mit den Ausländern unterhalten konnten und darüber
hinaus seien sie überhaupt nicht kamerascheu.
Die ersten grossen Klassenarbeiten vor den langen Winterferien wurden
von allen vier mit Auszeichnung bestanden.
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D. Neue Kinder
Nach dem Abgang der ersten Graduenten konnten wir eine Reihe von neuen
Kindern aufnehmen.
Tashi Punzog (Mause-Klasse)
Tashi Punzog ist etwa vier Jahre alt und kommt aus dem gleichen Dorf
wie die drei Geschwister Kyila, Dorje und Jampa. Tashi Punzog wurde
wegen seines umgänglichen und lustigen Wesens bald zum Liebling
aller Kinder erklärt und weil
er so kugelrund ist, wird er "Bollo" genannt.
Kelsang (Tigerklasse)
Kelsang ist 12 Jahre alt und kommt aus Metrogonga. Er
ist ein sehr besonnener und hilfsbereiter Junge, hat bereits
viele Freunde und ist eine echte Bereicherung für die
Schule. Er hat noch einen kleinen Sehrest und kann wunderbare Bilder
malen. Seine sehende Schwester geht zusammen mit Yudon, Gyendsen,
Bungzo und Nyima in die schwedische Schule. Unsere Kinder dienen
als Postboten, wenn die Geschwister sich Briefe schreiben und
kleine Geschenke schicken.
Migmar (Tigerklasse)
Migmar ist ein Mädchen. Es ist neun Jahre alt
und kommt aus Sakyia. Sie ist sehr ruhig, aber hat schnell Anschluss
gefunden. Ihre beste Freundin ist die ebenfalls sehr stille Lhakdon aus
Lhoka.
Lobsang (Tigerklasse)
Lobsang ist 15 Jahre alt und kommt aus einem kleinen Dorf in der
Nähe von Lhatse. Er wurde als Hauptrolle für Uwe Goossens
Dokumentarfilm ausgewählt. Lobsang ist sehr redefreudig,
intelligent und manchmal etwas laut, da er gerade im Stimmbruch steckt.
Er prügelt sich gerne mit den anderen Jungs und ist alles in allem
ein lieber und hilfsbereiter Kerl. Sein bester Freund ist der
13jährige Dachung.
Zering Yudon (Tigerklasse)
Zering Yudon ist 12 Jahre alt und kommt aus QueQue. Sie ist sehr ruhig,
aber beteiligt sich gerne an allem, was im Projekt geschieht. Sie kann
sehr gut stricken und hat darum eine gute Handmotorik, die man auch zum
Braille-Schrift-Lesen braucht.
Lhagpa Zering (Mauseklasse)
Lhagpa Zering ist wohl unser jüngster Schüler. Wir
schätzen ihn auf etwa drei Jahre. Er kommt ebenfalls aus Sakyia.
Sein bester Freund ist Bollo. Aber manchmal wird Bollo zu grob und dann
piepst
er den 14jährgen Norbu um Hilfe.
Dawa Zering (Mauseklasse)
Dawa Zering ist 7 Jahre alt und kommt aus dem nahe gelegenen
Dölung. Er gebärdet sich noch ein wenig als Störenfried,
scheint seine Grenzen noch nicht genau zu kennen, wird aber bereits von
den anderen Kindern in die Mangel genommen. Sein Feind ist der
sechsjährige Zering, ebenfalls Mauseklasse. Zering war bisher der
König in der Klasse, da er über vier Mädchen herrschte.
Drei der Mädchen (Zering Lhamo, Lhakdon und Zering Yangzung) sind
aber bereits in die Tigerklasse aufgestiegen
und der arme Zering muss nun mit drei neuen Jungen und nur zwei
Mädchen ausharren, und Dawa Zering macht es ihm nicht leicht, die
Stellung zu wahren.
Lhachi Drolma
Lhachi Drolm ist 8 Jahre alt und kommt aus Lhoka. Sie ist est
vor ein paar Wochen in das Projekt augenommen worden, hat sich aber
schon gut eingelebt und Ihren Platz in der Mause klasse gefunden.
Klassenaufstellung
Mauseklasse:
Zering (6) Junge
Ze Yudon (4) Mädchen
Dawa Zering (7) Junge
Lhagpa Zering (3) Junge
Tashi Punzog (4) Junge
Lhachi Drolma (8) Mädchen
Tigerklasse:
Migmar (9) Mädchen
Dawa Tashi (13) Junge
Zering Yudon (12) Mädchen
Wugyen Punzog (9) Junge
Lobsang (15) Junge
Ze Lhamo (7) Mädchen
Ze Yangzung (6) Mädchen
Kelsang (12) Junge
Lhagpa (8) Mädchen
Pendron (13) Mädchen
Hasenklasse:
Dachung (13) Junge
Gyumi (8) Junge
Sonam Penden (11) Junge
Ze Diggi (11) Mädchen
Nyima Wangdu (13) Junge
Norbu (14) Junge
Sonam Wandu (14) Junge
Ngudup (16) Junge
Massageklasse:
Tendsin (15) Junge
Tashi Passang (17) Junge
Dolma (17) Mädchen
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3. Die
Musikklasse ist in diesem Jahr beendet worden.
A. Der Oktopus (Bericht
zur neuen Braille-Schreibmaschine)
Die reguläre Braille-Schreibmaschine ist gross, schwer, sehr
komplex und für einen Blinden in einem Entwicklungsland meist
nicht zu finanzieren. Paul Kronenberg, gelernter Maschinenbauer,
erkannte die Defizite dieser Braille-Schreibmaschinen, besonders
für den Gebrauch in Entwicklungsländern. Auf der Basis einer
alten britischen Maschine "stainsby-Writer" entwickelte er die Idee
für ein neues Modell mit den folgenden Eigenschaften:
Diese Maschine sollte klein und transportabel sein. Man sollte sie
mit einfachen Mitteln und wenig Fachkenntnisreparieren können
und, sie müsste sehr viel billiger sein, als das herkömmliche
Produkt. Kurzum sie sollte ein Rolls-Royce für den Preis eines
Suzukis werden. Ein Anliegen, das wohl alle Hersteller sonstiger
Braille-Schreib-Modelle auf die Barrikaden bringen wird.
Olaf Litjens, ein in Schanghai situierter holländischer
Geschäftsmann war von dieser Idee begeistert und bot seine
finanzielle und organisatorische Hilfe an. Er finanzierte den
Tibet-Aufenthalt einer deutschen Feinmechanikerin und Maschinenbauerin,
Birte van der Horst, die in nur drei Wochen zusammen mit Paul einen
Vor-Prototyp entwickelte. Da mich diese Maschine mit ihren acht
Pfötchen etwas an eine Krake erinnerte und sich Pauls
Lieblingsgeschichte um die Pflege eines Oktopusses handelt, tauften wir
das Gerät "oktopus". Der Oktopus wurde in Schanghai einem
bekannten Designer vorgestellt, der sich für die designerische
Vollendung begeisterte. Sobald aber auch die Mechanik einen guten Stand
erreicht hat, wird er verschiedenen Blinden zur Probe vorgeführt,
bevor er in die endgültige Produktion wandert.
B. Spiele und Hilfsmittel
Zum ersten Mal entwickelten wir mit Hilfe der deutschen
Blindenpädagogin Christine Hügler, einige Materialien,
die wir sowohl zum Training, als auch zur Freizeitgestaltung
nutzen können.
a) akustisches Memory
32 geschlossene Filmdöschen werden in ein Lochbrett gesteckt. Die
Döschen sind in sechzehn Paare eingeteilt. Ein Paar ist
mit getrockneten Erbsen, ein anderes mit Reis, Sand oder kleinen
Steinchen gefüllt. Die Geräusche sind nicht sehr
unterschiedlich und man kann sie nur durch genaues Hinhörenm
unterscheiden.
b) Geruchsmemory
Das gleiche Prinzip, aber mit unterschiedlichen Geruchspaaren.
Currygewürz, Chili, mit einem gewissen Parfüm getränkte
Wattebäuschchen, zermahlene Räucherstäbchen,
Seifestückchen usw. Damit auch die Sehenden nicht mogeln,
müssen sie es ebenfalls unter der Augenbinde probieren.
Einige der Kinder und vor allem die sehenden Mitarbeiter hatten grosse
Probleme, die Paare zusammenzustellen. Andere wiederum schafften es in
rasender Geschwindigkeit. Durch dieses Spiel kann man erfahren, wieviel
Konzentration die Spieler bisher auf ihre Ohren und Nasen
aufgewendet haben.
c) Knopf- und Schleifenrahmen
Über Holzrahmen wurden zwei Stofflappen gespannt, die in der
Mitte entweder durch Knöpfe, Reisverschlüsse oder Schleifen
zusammengehalten werden. Diese Materialien werden nun besonders im
lebenspraktischen
Unterricht der Frühförderung, wo es um Ankleiden und
Auskleiden
geht, eingesetzt.
d) Sortierboxen
Für den Unterricht, in dem es um Fingerfertigkeit geht,
entwickelte Christine
Hügler Sortierboxen, in die Hülsenfrüchte
unterschiedlicher Grösse eingeordnet werden sollen.
e) Holzpuzzle
Der Schreiner des Projektes fertigte Holzfiguren an, die in
die jeweils passenden Aussparungen eines Holzbrettes gelegt werden
müssen. Diese Puzzle fördern Fingerfertigkeit und
Vorstellungsvermögen.
f) Geometrische Formen
Für den Unterricht der in Medrogonga integrierten Schüler
stellten wir aus Holz Geometrische Formen, aber auch Tortenstücke
zur mathematischen Verständlichkeit des Bruchrechnens
her.
g) Tibet in Miniatur
Zwei tibetische Handwerker erfuhren von unserem Projekt und
brachten eines Tages eine Kiste voller selbstgemachter Spielsachen
mit. Ein tibetisches Miniatur-Haus, im Stil eines Adelspalastes,
von innen mit einer kleinen Lampe beleuchtet, ein Miniaturzelt, ein
kleiner Stupa, einige kleine Schränkchen und ein geschnitztes
typisch tibetisches Tor. All diese Schätze wurden von Norbu
liebevoll
auf einem Tisch im Wohnzimmer zu einem Dorf zusammengestellt und vor
allzu groben Kinderhänden bewacht.
C. Neue Bücher aus der
Braille-Druckerei
Folgende Lehrmaterialien wurden in diesem Jahr erstellt:
- "Tibetan fairytails" (ein
Englisch-Lehrbuch für die Tigerklasse, mit Übungen und
Vokabeln).Aku donpa Geschichten (tibetische Märchen der berühmten
Gestalt des Akudonpa)."The Little Mermaid", von Anderson (ein
Märchenbuch in Englisch mit tibetischem
Vokabelverzeichnis)."Follow me" (ein Englisch-Lehrbuch für die
Hasen-Klasse, mit ausführlicher Grammatik in tibetischer Sprache
und einem tibetischen Vokabelteil)."English study 1" (ein
Englischbuch für Anfänger)."English study 5" (ein Englischbuch für
die 5. Grundschulklasse)."my Grandmother says" (ein tibetisches
Märchen über einen Schneeleoparden mit taktilen
Bildern)."Sodechenpo 3" (Neuauflage des Englisch-Tibetischen
Wörterbuches)."Fingerprint 2" (Ein Lehrbuch zum Studium der
Englischen Braille-Kurzschrift, mit tibetischem
Vokabelverzeichnis).Massage und Physiotherapie (ein fünfbändiges
Werk, erstellt durch MSF, in tibetischer Sprache).Chinesisch, ein
Lehrbuch für die dritte Grundschulklasse.Tibetisch 2.Tibetisch
5.Mathematik 3.allgemeines Wissen, für die dritte
Grundschulklasse.Biologie, für die dritte
Grundschulklasse."Verhaltensregeln" ein Lehrbuch für die dritte
Grundschulklasse."What a beautiful sight" Eine Tibetisch-englische
Mitschrift des Theater-stückes unserer
Braille-Ohne-Grenzen-Kinder."my favorite songs" (ein Buch mit
zusammengestellten englischen Songtexten und tibetischem
Vokabelverzeichnis).
- "tibetan stories" (ein Buch für
Leseanfänger in
tibetischer Sprache, mit
taktilen Bildern
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III. “Braille
Without Borders“ in der Öffentlichkeit
1. Evaluation
Im Juni diesen Jahres ging unser vor zwei Jahren geschlossener Vertrag
zwischen uns und der "Tibet Disabled Person's Federation" zu Ende. Ein
neuer Vertrag musste her, aber zuvor, so das Auswärtige Amt,
müsse eine externe Evaluation von unserem Projekt
gemacht werden. Ein fähiger Evaluator wurde schnell gefunden.
Dr. Carlos Mondragon ist Anthropologe und kommt aus Mexico. Er
hatte seine zweijährige Forschungsarbeit für den Dr.-Titel in
Cambridge auf einer abgelegenen Südseeinsel verbracht und
danach für ein Jahr den Aufenthalt in der tibetischen
Universität für ein Post-Doc-Studium in Kauf genommen.
Während der
vierwöchigen Evaluationszeit, setzte er alles daran, das
Projekt von innen und aussen vollkommen zu durchleuchten und zu
verstehen. Wir glauben, es ist ihm wie sonst kaum jemanden gelungen,
ein umfassendes Bild von unserem Zentrum und unseren Ansätzen zu
schaffen.
2. Neuer Vertrag mit der
Regierung
Sowohl die "Verritterung", als auch die positive und umfassende
Evaluation sorgte für eine dreijährige
Vertragsverlängerung. Sowohl unser Partner, als auch das
Auswärtige Amt waren durch unsere meist gute Zusammenarbeit
angetan und möchten sie
nun auch in Zukunft fortführen.
3. Tag des weißen Stockes
Am 15. Oktober, dem Tag des weissen Stockes, feierte die Regierung, die
hiesige Blindenorganisation, die Blinden-Schule und wir zusammen in
unserem Zentrum. Es gab eine Band, viele Momos und für die
Funktionäre eine Menge Bier, das sie sich selbst mitgebracht
hatten.
Für uns war die Wahl, die auf unser Zentrum als Festtagsort fiel,
ein Zeichen von Anerkennung und Akzeptanz. Es bedeutet, dass unsere
Einrichtung tatsächlich das Zentrum der Blinden Tibets
repräsentiert.
4. Zum Ritter geschlagen
Seit einiger Zeit hatte sich der holländische Botschafter Flip de
Heer angekündigt. Er wolle doch mal mit seiner Frau nach Tibet
kommen, um uns und das Projekt in Augenschein zu nehmen. Der
Botschafter war für Montag, den sechsten Oktober angekündigt.
Zu diesem Zeitpunkt waren gerade meine Eltern zu Besuch und sie freuten
sich auf die Begegnung mit der Botschaft, die uns in der Vergangenheit
in vielfältiger Weise unterstützt hatte. Am Tag vor dem
Treffen erfuhren Paul und ich von unserem Evaluator, dass wir das
Projekt Montagmorgen verlassen sollten. Es musste also irgendetwas im
Gange sein, aber es war uns nicht ganz deutlich, was das sein sollte.
In einem Restaurant trafen wir auf Andrew, dem britischen Leiter von
"Save the Children". Er meinte, wir würden uns ja gleich im
Projekt sehen. Auch andere expatriots hatten sich bereits verplappert,
sodass wir uns ein wenig zusammenreimen konnten. Was uns dann
letztendlich "widerfuhr", hatten wir uns doch nicht wirklich vorstellen
können. Als wir zur verabredeten Zeit in unserem Projekt
auftauchten, waren auf der Dachterrasse tatsächlich alle
Expatriots versammelt.
Es gab ein Riesen Buffet, eine Kapelle mit Tänzern und
Sängern und natürlich Presse. Der Botschafter hielt eine Rede
über die gute Zusammenarbeit und dass die Botschaft beschlossen
habe,
das geplante Käseprojekt finanziell zu unterstützen. Er
hatte Geschenke mitgebracht. Käse, Wein und Schokolade. und
dann holte er eine Urkunde, gezeichnet von der holländischen
Königin heraus. Diese Urkunde besagte, dass sowohl Paul als
auch ich zum Ritter des Orange Nassau Ordens geschlagen werden sollten.
Wir bekamen einen Tusch, einen Beifall und eine Medaille an die Bluse
geheftet. Später erfuhren wir, das ein deutscher Besucher diese
Ehrung bei der holländschen Botschaft für Paul beantragt
hatte. Für mich hatte er Ähnliches bei dem deutschen
Auswärtigen Amt vorgenommen. Die Holländer waren jedoch
schneller. Dass wir
noch so jung waren und ich dazu keine Holländerin, stiess bei
Königin Beatrixs zwar auf Erstaunen, hielt sie von der Ehrung
durch den Botschafter aber nicht ab. So empfinde ich die
Holländer: unbürokratisch, schnell und flexibel.
5. Ein neuer Film von Uwe Gooss
Uwe Goss ist ein deutscher Filmregisseur, der 1999 schon einmal in
Tibet war und den ersten Dokumentarfilm "Mit anderen Augen"
über das Projekt drehte. Der Film war damals unter der Hand
gedreht worden, aber da er nichts Politisches beinhaltete, wurde
er von den Offiziellen im Nachhinein akzeptiert und sogar gelobt.
Diesmal aber reiste das Filmteam von Uwe Goss mit hochoffizieller
Einladung ins Land und wurde auch in Tibet vom lokalen Auswärtigen
Amt, sowie von unserem Partner "Tibet Disabled Person's Federation"
umsorgt und nach Kräften unterstützt. Das Hauptthema dieses
Films war zu unserer Erleichterung nicht die dokumentarische
Observation unseres Projektes. Uwe wollte ein blindes Kind, das aus
einem Dorf weit entfernt von Lhasa, zu uns in die Schule kommt,
begleiten. Durch Renzin, einen befreundeten Tibeter, lernte er den
15jährigen Lobsang kennen. Lobsang ist seit Geburt blind, war
niemals in einer Schule und kommt aus einer recht ärmlichen
Familie. Er ist
unglaublich redefreudig, hat keine Scheu, auf neue Leute zuzugehen
und freut sich schon seit einem Jahr, endlich zu uns ins Zentrum
kommen zu dürfen. Wie er die Reise nach Lhasa und die
Lebensveränderung
durch das Zentrum erlebt, wird Uwe Gooss in seinem Film "Tibets blinde
Kinder" dokumentieren.
6. Internationale Presseartikel in
2003
Artikel in der New
York Times / Hindustan Times
Artikel im Outside Magazine
Artikel im Hong Kong Morning Post
Artikel im Xinhua News Agency.
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IV. Aktivitäten
1. Wichtige Erneuerungen in
Gebäuden des Blinden-Zentrums in Lhasa
Um die neue und klare Struktur des Projektes auch äusserlich
sichtbar zu machen, entschieden wir uns für die Umgestaltung
einiger Räumlichkeiten. Die Böden in Esszimmer, Flur und im
Vorraum
unseres Büros wurden mit hellen und freundlichen, leicht zu
säubernden Kacheln ausgelegt und die Böden im Wohnzimmer, in
der Massageklinik und im Büro wurden mit hellen Holzplatten
versehen.
Der Vorraum unseres Büros wurde zur Trainingsküche
umfunktioniert. In dieser Trainingsküche werden Schülerinnen
und Schüler der Hasenklasse, der Tiger-Klasse und der
Berufsausbildungsklassen in Kochen und Backen unterrichtet. Der Bereich
hinterm Haus wurde mit Schieferplatten versehen und von der Strasse aus
durch ein Tor abgegrenzt, damit keine Unbefugten von hinten auf unser
Grundstück gelangen können.
Das Büro wurde durch einen Wintergarten erweitert, der den nach
Norden gelegenen Raum von Süden her aufheizt.
Da in der Vergangenheit die Angst vor Dieben und Mördern,
mehr oder weniger begründet, um sich griff, installierten
wir Bewegungsmelder und eiserne Gitterstäbe vor Fenstern und
Türen, die zum Garten hinausführen.
Auch unser Kinder liebender Nomadenhund mit Namen Pucki Yamdrok hat sich
mittlerweile zu einem Gesindel-Schreck entwickelt, der allerdings auch
vor Botschafter-Hintern nicht Halt macht.
2. Ein Theaterstück von Kyla
„What a beautiful sight“
Im vergangenen Juni, während der Sars-Zeit, wurde durch die
Organisation Terma eine Ausstellung zum Thema Umwelt und Gesundheit
eröffnet. Die Ausstellungsleiter waren auf den Besuch blinder
Kinder allen Alters sehr gut vorbereitet und unsere Schüler
waren begeistert von den unterschiedlichen Aktivitäten,
Experimenten und Lehrinhalten. Die 17jährige Kyila war besonders
von der Umwelt-Thematik inspiriert und machte sich gleich am
nächsten Tag daran, eine Kurzgeschichte in englischer Sprache zu
verfassen.
Wir alle waren so beeindruckt von dieser Geschichte, dass wir den
Kindern vorschlugen, doch in den Sommerferien ein tibetisches
Theaterstück
aus der Geschichte zu entwickeln. Aus dem Theaterstück wurde
ein einstündiges Musical mit von den Kindern selbstgedichteten
Lied- und Sprechtexten. Das Ganze wurde ein grosser Erfolg und die
Organisation Kunde-Foundation bat die Kinder, es auf einer
Gesundheitswoche
im Lhoka-Distrikt aufzuführen. Leider spielte die lokale Regierung
nicht mit. Sie verbat den Auftritt mit der Begründung: Falls
Ausländer dieses Stück sähen, gäbe das einen
falschen Eindruck. Sie würden glauben, es gäbe viel zu
viel Blinde in Tibet. Es scheint an ihr vorbeigegangen zu sein, dass es
tatsächlich mit 33.000 Blinden, also 1,8%, viel zu viele Blinde
in der autonomen Region gibt.
3. Workshop zu HIV / Aids
Die Organisation "Save the Children" macht seit geraumer Zeit, von der
Regierung geduldet Aufklärungsarbeit über Aids-Vorsorge in
tibetischen Schulen. Allerdings müssen Schulen in Lhasa gemieden
werden, da man von tibetischer Seite Angst habe, der
Aufklärungsunterricht, der natürich auch Sexualität
thematisiert, würde die urbanen Jugendlichen auf unzüchtige
Gedanken bringen. Da aber
Sexualität bei unseren Jugendlichen unverhinderbar ein Thema
zu werden "droht", nahmen wir uns trotz Lhasa-Zugehörigkeit
heraus, die Kenntnisse der Organisation in Anspruch zu nehmen. Von
einer
männlichen und einer weiblichen Beratung aufgeklärt, hatten
wir die Jugendlichen natürlich auch streng in männlich und
weiblich aufgeteilt. Die jungen Mädchen wurden von der ihnen wohl
bekannten Dolma eingewiesen. Sowohl ich, als auch der britische Leiter
von "Save the Children" waren während der Sitzung mit den
Mädchen
anwesend und wir waren alle miteinander erstaunt, wie untibetisch frei
diese Kinder reagierten. Selbst der Mann in ihrer Runde störte
sie überhaupt nicht in ihren Überlegungen. Ein wichtiges
Thema
war für die Mädchen Gewalt in der Ehe und dass tibetische
Männer dazu neigen, neben ihrer Frau auch viele andere
Liebschaften
zu unterhalten. Sie waren alle der Ansicht, dass man solche Männer
besser vor die Tür setze, denn "frau" käme ja auch gut
alleine
zurecht. "Nur weil es Männer sind," meinte Kyila, als das Thema
Ansteckungsgefahr angesprochen wurde, "müssen wir uns nicht
abhängig und klein machen und dadurch in Gefahr bringen lassen!"
Und Yudon meinte:
"Wir sind selbstständig, haben eine gute Ausbildung und
können
für uns alleine sorgen!" Diggi bekundete die Angst, dass ihre
Blindheit von Männern ausgenutzt werden könne. Sie wolle
lieber einen "indji", eien Ausländer, denn der, so glaubte sie,
den abstinenten Paul als Vorbild, trinke nicht und sei stets gut
gelaunt
und hilfsbereit. Das Highlight der Sitzung waren natürlich die
Kondome, die nur von wenigen gut
aufbewahrt wurden. Von den anderen wurden sie unter lautem Geschrei zu
Ballons und Wasserbomben umfunktioniert.
5. Bootsfahrt auf dem Kyicho
Seit diesem Sommer wurde in Tibet durch die Reiseagentour Windhorse
Adventures der Raftingsport eingeführt. Der kanadische Berater und
Kajaklehrer Chris Jones und der tibetische Agenturleiter Tashi freuten
sich sehr über unser Interesse, eine Rafting-Tour mit blinden
Kindern zu unternehmen. An einem sonnigen Augusttag wurden
alle Kinder in Neoprenanzüge und
Schwimmwesten gesteckt und mit den Sicherheitsvorkehrungen vertraut
gemacht. Während der Bootsfahrt sprangen die Kinder, die niemals
schwimmen gelernt hatten, vollkommen unbekümmert ins Wasser
und paddelten wie die Wilden. Ein begleitendes Fernsehteam hatte
Norbu vor der Abfahrt interviewt. Norbu war bisher immer etwas
verlegen. Wenn Fremde ihn etwas fragten, antwortete er meist nur mit
einem kurzen "e". Diesmal aber platzte er heraus: "Wir haben keine
Angst, wir können das gleiche wie Sehende! Wir brauchen uns nicht
zu verstecken!"
6. Austausch mit dem tibetischen
Gehörlosen-Projekt
Im Juni 2003 organisierten wir mit der
belgischen Organisation Handicapped International eine Zusammenkunft in
der Blinde und Gehoerlose ihre jeweiligen Welten kennenlernen konnten.
Bei diesem Austausch wurde den Blinden etwas vorgetanzt und die
Gehoerlosen wurden von unseren Kindern besungen. Die Gehoerlosen waren
bereit die Blindenschrift zu lernen und zeigten den Blinden ihrerseits
das tibetische Handalfabet.
7. Birnen-Business
Echte süsse Birnen sind in Lhasa eine Seltenheit. Die einzigen
Birnenbäume, die nicht mit einer Apfelsorte gekreuzt wurden,
stehen bei uns im Garten. Es ist ein recht alter Baumbestand und die
Birnen sind jedes Jahr ein grosser Genuss. Als aber die Birnen in
diesem Jahr so richtig saftig-süss und reif waren, wurde
der Sportunterricht kurzerhand in ein Bäumekletter-Training
umgewandelt. Die Kinder ernteten alle Birnen, bis sie eine Riksha voll
hatten und liefen dann mit ihren Stöcken in die Stadt, um sie auf
dem Markt zu verkaufen. Die Kinder mit ihren Blindenstöcken, ihren
Birnen und ihrem kaufmännischen Verstand machten auf
die Bevölkerung Lhasas einen grossen Eindruck. Sie erzählten
der staunenden Bevölkerung, dass sie für diese
Birnen ruhig 1 bis 2 Yuan pro Kilo mehr zahlen könnten, da sie
nicht mit Chemikalien behandelt wurden. Wir glauben nicht, dass die
Lhasaner verstanden, was die Kinder ihnen da mitteilen wollten, aber
immerhin waren in nur wenigen Stunden alle Birnen verkauft und die
Kinder
brachten über 600 RMB mit nach Hause. Von diesem hart
erwirtschafteten Geld luden die Kinder das Projektpersonal zu einem
Picknick ein.
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V. Verschiedenes
1. Hospitierung einer
Blindenpädagogik-Studentin
Durch unseren Freund und Unterstützer, den blinden Mathematiker
Eberhart Hahn, kam Christine Hügler zu uns. Christine ist
Blindenpädagogik-Studentin und schreibt gerade an ihrer
Abschlussarbeit. Ihr Thema ist "Blinde und Sehbehinderte in Tibet".
Christine war eine Bereicherung fürs Zentrum. Sie lebte sich
schnell ein, schloss bald Freundschaften mit den blinden Jugendlichen
und unseren tibetischen Mitarbeitern und
war sehr aufgeschlossen für neue, unkonventionelle Ansätze.
Durch lange Gespräche über Methoden und theoretische
Überlegungen wurde mir erst klar, in welcher Weise wir uns von
herkömmlichen Ansätzen unterscheiden. Interessant und neu war
für Christine unser Grundprinzip der Selbstintegration. Da die
ersten Abgänger sich während ihrer Anwesenheit
"selbstintegrierten", war sie
in der Lage, den Prozess direkt zu verfolgen. Man hat uns oft
vorgeworfen, wir würden uns bewusst von Sonderpädagogen
fernhalten, und würden professionelle Ratschläge für
unsere Arbeit
fürchten und als Einmischung empfinden. Wir sind nicht der
Meinung,
dass wir jeden professionellen Ratschlag von uns weisen, wir
möchten uns aber auch nicht bevormunden lassen und freuen uns,
wenn man uns
und
unserer Arbeit mit Ernsthaftigkeit, Offenheit und Vertrauen
begegnet.
2. Weihnachtskarten
Zu Weihnachten 2003 plante die Organisation Handicapt International die
Versendung von selbstgemalten Weihnachtskarten. Der lokale
Koordinator Yannick hatte die Idee, in diesem Jahr die Karten von
Blinden malen zu lassen. Das Kartenmalen wurde zu einem Fest und
die Kinder hatten Riesen Spass. Sie gaben ihren Kunstwerken Namen.
Ein blauer Fleck auf weissem Grund wurde mit "grass" betittelt. Ein
schwarzer Fleck zwischen roten Punkten hiess: "Vogel auf Apfelbaum".
Bei einigen Kindern erkannten wir höchst künstlerische
Adern. Besonders Tendsin und Kelsang verblüfften uns
mit ihren farbreichen Motiven.
VI. Pläne für das Jahr
2004
1. Trainingsfarm:
In Tibet wird der Schwerpunkt für das Jahr 2004 auf die
Einrichtung der Trainingsfarm gelegt. Grünhäuser müssen
gebaut, Tiere angeschafft und die ersten Auszubildenden müssen
eingeladen werden. Zudem werden wir endlich die langgeplante
Käsepoduktion einrichten.
2. Blinden-Zentrum Ladakh:
Sobald die Regierung in Ladakh Land für uns gefunden hat, wird im
kommenden Jahr auch ein erneuter Ladakh-Besuch fällig, um den
Bau des Zentrums zu planen.
3. Ausbildungszentrum in Kerala /
Südindien:
Kerala, das geplante Schlüsselzentrum von Braille ohne Grenzen, in
dem Blinde aus der ganzen Welt in Management und Projektleitung
ausgebildet werden sollen, steht auf dem Plan. Neben diesem Zentrum
soll auch eine
kleine Fabrik für Blindenhilfsmittel, im Besonderen für die
Herstellung des Oktopus aufgebaut werden.
4. Kletterkurs:
Der blinde Bergsteiger Erik Weihenmayer, der vor zwei Jahren
erfolgreich den Everest beklommen hatte, wird in diesem Jahr nach Tibet
kommen, um
mit uns und fünf Kindern einen Kletterkurs zu veranstalten. Der
Höhepunkt dieses Kurses wird eine Bergtour auf einen
Siebentausender sein.
Um diese und viele andere Projekte und Ideen zu
realisieren, brauchen wir Ihre weitere Solidarität und
Unterstuetzung.
Im Namen der Kinder und Mitarbeiter möchten wir Ihnen ein frohes
neues und erfolgreiches Jahr wünschen.
Ihre Sabriye Tenberken
Ihr Paul Kronenberg
Braille Without Borders, Braille Ohne Grenzen
http://www.braillewithoutborders.org
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