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 Jahresbericht Dez 2003 - Grüsse aus dem Eis

Liebe Freunde und Förderer des Blindenzentrums Tibet!

Dieser Rückblick wird nicht wie gewöhnlich in Tibet, sondern im eisigen Ladakh verfasst. Da sitze ich in meinem Zimmer mit Schal, Mütze und Daunenjacke, habe meinen Daunenschlafsack um mich gewickelt und hoffe, dass mein Laptop die Kälte überstehtund die Elektrizität mich nicht gleich wieder im Stich lässt. Man hatte mir gesagt, ich solle mir wegen der Kälte in Ladakh keine Sorgen machen, denn es scheine jeden Tag die Sonne, und von den Temperaturen um -20 Grad in der Nacht könne man sich tagsüber schnell wieder erholen. Leider musste ich anderes erfahren, denn von den vier Wochen, die ich bereits in diesem Winter in Ladakh zugebracht habe, wurden mir lediglich zwei sonnige Wochen beschert. Es ist nicht wirklich gemütlich, morgens bereits frierend den Tag zu beginnen und Eis vomWaschwasser hacken zu müssen. Aber so bleibt der Kopf wenigstens klar und immer frisch.

Das Jahr 2003 war bisher wohl unser aktivstes, aber auch erfolgreichstes. Alle unsere Wünsche und noch viel mehr konnten in diesem Jahr realisiert werden. Wir möchten uns darum im Namen der Kinder und Mitarbeiter ganz herzlich bei allen Freunden und Förderern des Projektes bedanken, denn alles, was in diesem Bericht geschrieben steht, ist auch Resultat Ihrer grosszügigen Unterstützung und Solidarit

I. Meilensteine neuer Entwicklung
  1. Ladakh: Vorbereitung für ein neues Blindenzentrum
  2. Das neue Farmprojekt

II. Konzeptionelle Weiterführung unseres Projektes in Tibet

  1. Die Ausbildung blinder Kinder, Jugendlicher und Erwachsener
    A. Frühförderung (Mauseklasse)
    B. Orientierungsstufe (Tigerklasse)
    C. Vorbereitende Regelschulklasse (Hasenklasse)
    D. Berufsausbildung/Erweiterung der Berufsausbildung in 2003
  2. Hilfe bei der Selbstintegration
    A. Die ersten Schüler verlassen das Blinden-Zentrum
    B. Einschulung der ersten vier Abgänger
    C. Selbstintegration in unterschiedliche Berufe
    D. Neue Kinder
  3. Die Erstellung von Hilfsmitteln und Lernmaterialien
    A. Der Oktopus
    B. Spiele und Hilfsmittel
    C. Neue Bücher
III. “Braille Without Borders“ in der Öffentlichkeit
  1. Evaluation
  2. Neuer Vertrag mit der Regierung
  3. Tag des weißen Stockes
  4. Zum Ritter geschlagen
  5. Ein neuer Film von Uwe Gooss
  6. Internationale Presseartikel in 2003
IV. Aktivitäten
  1. Wichtige Erneuerungen in Gebäuden des Blinden-Zentrums in Lhasa
  2. Ein Theaterstück von Kyla „What a beautiful sight“
  3. Workshop zu HIV / Aids
  4. Bootsfahrt auf dem Kyicho
  5. Austausch mit dem tibetischen Gehörlosen-Projekt
  6. Birnen-Business

V. Verschiedenes

  1. Hospitierung einer Blindenpädagogik-Studentin
  2. Weihnachtskarten

VI. Pläne für das Jahr 2004

  1. Trainingsfarm
  2. Blinden-Zentrum Ladakh
  3. Ausbildungszentrum in Kerala / Südindien
  4. Kletterkurs

1I. Meilensteine neuer Entwicklung

1. Ladakh, Vorbereitung für ein neues Blindenzentrum: WORKSHOP
Vor etwa zwei Jahren erhielten Paul und ich einen Brief aus Ladakh. Er kamvon Dr. Smanla Punzog, einem dort bekannten Augenarzt, der für das buddhistische Zentrum Mahaboddhi arbeitet. Er hatte durch unterschiedliche Quellen von unserem Projekt gehört und bat uns nun, bei dem Aufbau einer Blindenschule behilflich zu sein. Wir bekommen bereits Anträge dieser Art aus den verschiedensten Ländern. Da aber Ladakh kulturell und sprachlich der Autonomen Region Tibet am nächsten steht, schien diese Region für uns als Prüfstein vor der internationalen Ausweitung unserer Projekte gut geeignet zu sein. Auf meinen Reisen nach Ladakh nahm ich Kontakt mit unterschiedlichen Organisationen auf, u.a. natürlich auch mit dem bereits erwaehnten Zentrum
Mahaboddhi. Das Zentrum möchte gerne etwas für blinde Kinder tun. Und obwohl es sich um ein buddhistisches Zentrum handelt, möchte der Leiter Sanga Sena eine Grundschule für Blinde aller Religionen einrichten. Dafür brauche er unsere Hilfe. Auch das Hillcouncil, die lokale Regierung, war davon angetan, eine spezielle Blindenausbildung für ladakhische Blinde, im Besonderen ein Rehabilitations-Zentrum im Stile unseres tibetischen Blindenzentrums einzurichten. Und kurz vor meiner Abreise hatte ich eine Sitzung mit dem Sozialminister, in dem man mir sagte, man habe jetzt entschieden, unserer Organisation "Braille ohne Grenzen" Land zu einem Bau eines Rehabilitations- und Trainingszentrum zur Verfügung zu stellen. Nach Aufbau und Einrichtung
dieses Zentrums will die Regierung die laufenden Kosten übernehmen. In der Nähe des Marktplatzes von Leh mietete ich für ein Jahr einen Büroraum, in dem ich Unterlagen und Hilfsmittel, die ich vom Workshop übrig habe, verstauen kann. Das Büro ist ein grosser und heller Raum, mit Fenstern nach Süden und nach Osten. Es befindet sich im Malpak Distrikt, in einer Herberge, das von einer sehr netten Familie geführt wird. Als Kontaktperson habe ich Manzur, den blinden Moslem eingestellt. Er ist überaus intelligent und sehr bereit, Hartnäckigkeit zu zeigen, wenn es darum geht, der Regierung auf die Füsse zu treten, falls sie ihre Versprechen vergessen sollte.


Etwas ausserhalb von Leh, mitten in der Wüste auf dem Gelände einer NGO mitNamen Secmol, organisierte ich zunächst einmal einen Workshop für Blinde und für diejenigen, die später einmal mit Blinden arbeiten wollen. Der viertägige Workshop hatte zwar nur sieben Teilnehmer, aber dafür ein recht grosses Medien-Aufkommen. Es kamen die drei blinden Erwachsenen, mit denen ich schon vorher Kontakt hatte, ein Opthomotrist vom Mahaboddhi-zentrum und an den ersten zwei Tagen die drei Ärzte, die uns der Gesundheitsminister angekündigt hatte. Zwei weitere blinde Erwachsene hatten nach längerem Zögern doch zu viel Angst, sich auf eine Woche ausserhalb ihrer gewohnten Umgebung einzulassen. Aber auch wenn es nur so wenige Teilnehmer gab, war der Workshop alles in allem ein grosser Erfolg. Alle genossen die Umgebung, die unterschiedlichen Aktivitäten und im Besonderen die allmorgendlichen Diskussionsrunden, in denen die blinden
Teilnehmer für ladakhische Verhältnisse sehr offen von ihrem Leben, von Ängsten, Wut, Trauer und von Wünschen erzählten. In der letzten Gesprächsrunde bat ich die Blinden, sich einmal zu
überlegen, wie ihr Leben wohl verlaufen würde, wenn sie nicht blind wären. Manzur, der gerne die Trainings- und Aufklärungsarbeit von Braille ohne Grenzen in Ladakh übernehmen möchte, sagte, er würde aufgrund seines Temperamentes wohl ähnliches soziales Engagement entwickelt haben. Er hätte es auf der einen Seite wohl leichter gehabt, eine gute Ausbildung zu bekommen, andererseits fiele ihm das soziale Engagement und das Wissen, wie und vor allem, was zu tun sei, sehr viel leichter, da er selbst betroffen sei und die Bedürfnisse von Blinden besser einschätzen könne. Die in Ladakh sehr bekannte Sängerin Tubche Dolma reagierte auf meine Frage folgendermassen: "Wenn ich sehen könnte, lebte ich immer noch in meinem abgelegenen Dorf, wäre verheiratet und hätte drei Kinder. Ich hätte nicht die Möglichkeit, Sängerin zu werden und vor allem hätte ich nicht die Gelegenheit gehabt, so viel neues wie in den letzten Tagen zu lernen und zu erleben."

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2. Das neue Farmprojekt
Das Farmprojekt hatte ungleich der anderen Pläne und Projekte eine lange und
schwierige Geburt. Es war nicht so schwer, Sponsoren für dieses Projekt ausfindig zu machen, aber durch die Langwierigkeit der lokalen Bürokratie gingen uns einige finanziellen Stützen wieder verloren. Um die Schwierigkeiten, denen wir hier in Tibet ausgesetzt sind, einmal deutlich zu machen, möchte ich die Hintergrundgeschichte des Farmprojektes erzählen.

September 1998
Wir entwickeln ein Konzept und eine Zukunftsplanung für das gesamte Rehabilitations- und Trainingszentrum, in dem bereits eine Trainingsfarm zur Ausbildung von Nomaden und Bauern, die spät erblindet sind, enthalten ist.

Januar 2000
In der Organisation "Dark and Light" finden wir einen Interessenten, die Traininsfarm zu finanzieren. Die Organisation will uns € 84.000 für den Bau und für das Training bereitstellen, sobald Land gefunden würde.

September 2001
Die tibetisch-chinesische Regierung erklärt sich bereit, uns über TDPF für dieses Vorhaben Land zur Verfügung zu stellen. Der Direktor von "Dark and Light" kommt zu Besuch und darf das vorgesehene Stück Land von etwa 13.000 Quadratmetern besichtigen.

März 2002
Es wird uns gesagt, dass die Bauarbeiten an der Farm wahrscheinlich im Mai 2002 starten können, wir müssten nur auf die Landmarkierung durch das Land-Department warten.

Juni 2002
Krisensitzung mit TDPF. Sie erklären, dass wir einen Teil des Landes an TDPF für den Bau einer Rehabilitations-Einrichtung zurückgeben sollen. Übrig bleiben nur noch 1.300 Quadratmeter.
Ausserdem hätten wir durch eine Landschenkung von der Regierung nicht das Recht, selbstständig zu bauen und wir könnten auch nicht eigenhändig entwerfen. Zudem hätten wir nicht die Erlaubnis, selbst Leute einzustellen. Eigentlich sagt man uns klar, wir sollten das Geld TDPF zur Verfügung stellen und sie würden sich dann überlegen, was damit geschehen soll. Wir können uns mit diesen Bedingungen nicht einverstanden erklären und suchen nach einer anderen Lösung. (Das Rehabilitationszentrum von TDPF ist bisher nicht gebaut worden und niemand redet mehr davon).

August 2002
Von einem Kloster bekommen wir ein Angebot für ein Stück Land ein wenig ausserhalb von Lhasa. Das Stück Land ist wunderschön, es hat einen grossen Baumbestand, ein grosses Schwimmbad und viele Gebäude, die sich als renovierungsbedürftig erweisen. Das Land kostet inklusive Gebäude 2.000.000 RMB, also ungefair 225.000 Euro. Es bietet viele Möglichkeiten und ist sogar mit dem Fahrrad von Lhasa aus zu erreichen.

September 2002
Wir informieren den Vorstand von dieser Möglichkeit und bekommen die Zusage, Gelder dafür nutzen zu können.

Ende September 2002
Der Mönch, der mit den Verhandlungen über das Land betraut wurde, zieht sein Angebot zurück. Andere, aber sehr viel schlechtere Optionen werden angeboten. Bei einem Angebot ist das Gebäude Asbest verseucht, andere Angebote bestehen aus hässlichen Fabrikbaracken.

Oktober 2002
Das Kloster ändert seine Meinung. Es ist doch bereit, das Land zu verkaufen. Ein Vorkaufvertrag wird mit dem Mönch abgeschlossen.

November 2002
Das Auswärtige Amt stellt sich gegen einen Kauf mit folgender Begründung: Es gäbe kein Gesetz, das für oder gegen einen Kauf sprechen würde, also sei eine Finanzierung durch Braille Ohne Grenzen und eine Überhändigung an TDPF nicht möglich.

Dezember 2002
Das Auswärtige Amt ändert seine Meinung. Es sei doch möglich, aber es müsse durch das Land- und das City-Planing-Amt autorisiert werden.

März 2003
Von Deutschland aus schreiben wir einen Brief, dass die Entscheidung bald getroffen werden muss.

April 2003
Wir bekommen die Zusage vom Auswärtigen Amt, das Land finanzieren zu dürfen, müssen aber zunächst den Projektvertrag mit TDPF um drei weitere Jahre verlängern. Für diese Verlängerung brauchen wir aber zunächst eine externe Evaluation. Der Evaluator, ein von uns ausgewählter Anthropologe Dr. Mondoragon, kann aber nicht ins Land, da die TAR wegen SARS abgeriegelt wird.

Mai 2003
Keine Kooperation mit dem Mönch, er reagiert nicht mehr auf unsere Bitte, die Eigentumspapiere unserem Counterpart vorzulegen.

Juli 2003
Das Schweizer Rote Kreuz macht folgenden Vorschlag: Seit etwa 10 Jahren unterstützt das Schweizer Rote Kreuz eine tibetische Medizin-Schule ("Pelshong-Schule"). Die Zusammenarbeit mit dem zuständigen Mediziner und Ausbilder läuft scheinbar nicht wirklich zufriedenstellend. Das Land der Pelshong-Schule wurde durch die tibetische NGO (Tibetan Development Fund) zur freien Verfügung gestellt. Es umfasst etwa 100.000 Quadratmeter. Das Rote Kreuz hat auf diesem Land Häuser bauen lassen. Eines ist sogar von Paul Kronenberg entworfen und vor 2 Jahren gebaut worden. Da die Pelshong-Schule durch das Rote Kreuz nicht mehr weiter unterstützt werden soll, hat sich der Delegierte des Roten Kreuzes an uns gewandt und hofft darauf, dass wir Gebäude und Land für die geplante Trainingsfarm nutzen können.

August 2003
Sponsoren für die Trainingsfarm springen ab, das Warten wird ihnen zu lang.

September 2003
Erfolgreiche Sitzung mit dem Besitzer des Shigatse-Landes TDF. Nach einer
Besichtigung des Zentrums erklären sie sich bereit, alles weitere fürs Land in Bewegung zu setzen.



November 2003
Besichtigung des Grundstückes durch TDF, TDPF, Rotes Kreuz und Braille ohne Grenzen. Der jetzige Landnutzer ist mit der Übergabe einverstanden. Nach vielen Sitzungen mit TDF und TDPF will TDF uns das Land für die nächsten 15 Jahre mindestens unendgeldlich zur Verfügung stellen.

Dezember 2003

Ein Vertrag wird zwischen Braille Ohne Grenzen, TDF und TDPF geschlossen. Land und Gebäude werden für 15 Jahre frei zur Verfügung gestellt. (Siehe Anlage) Diese Trainingsfarm wird in Zukunft zur Ausbildung von erwachsenen Blinden in den folgenden Berufen genutzt:

Handwerkliche Berufe:
Käserei, Töpferei, Korbflechterei, Teppichknüpferei. Darüberhinaus: Stricken, Weben, Schreinern usw.

Landbau:
Bewirtschaftung von Grünhäusern, Bestellung von Gemüse- und Getreidefeldern,
Baum- und Obstbaumpflege, Kompostierung.

Tierhaltung:
Pferdehaltung (Reiten, Pferdeausbildung, Pferdemedizin)
Hühnerhaltung, Schweinehaltung, Fischzucht und Rinderhaltung.

Kaufmännischer Bereich:
Vermarktung und Verkauf der Produkte.

Auf dem Land befinden sich bereits Bauern, die sich um zwei Kühe und die
Getreidefelder kümmern. Wir haben beschlossen, diese Bauern als Angestellte zu übernehmen. Durch die Getreidefelder wird bereits ein Jahreseinkommen von ungefaehr 30.000 RMB garantiert.

Vom Schweitzer Roten Kreuz bekommen wir einen sehr verspielten Antilopen geschenkt.

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II. Konzeptionelle Weiterführung unseres Projektes in Tibet

Seit fünf Jahren wird das Projekt stetig entwickelt. Anders aber als andere Projekte gab es vor Beginn des Projektes, keine grossartigen Studien, Evaluationen oder Logframes, an denen wir uns orientieren konnten. Instinkt und Flexibilität hat uns so weit gebracht, wie wir jetzt sind und nach einer Aufbauphase von fünf Jahren sehen wir die folgende Struktur in diesem Projekt:
Das Rehabilitations- und Trainingszentrum umfasst drei grosse Bereiche:
a) die Ausbildung blinder Kinder, Jugendlicher und Erwachsener und ihre Vorbereitung auf die     Selbstintegration,
b) die Erstellung von Hilfsmitteln und Lehrmaterialien
c) Hilfe zur Selbstintegration.

1. Die Ausbildung blinder Kinder, Jugendlicher und Erwachsener
Die Ausbildung beinhaltet Bewegungstraining und den Erwerb von blindenspezifischen Techniken, sowie Brailleschrift, lebenspraktische Fertigkeiten und Mobilität. Da Blinde verschiedener Alterstufen und mit unterschiedlichen Voraussetzungen zu diesem Projekt Zugang haben sollten, gliedert sich die Ausbildung in 4 Teilbereiche:

A. Frühförderung
Eine Ausbildung, die zur Selbstständigkeit und Selbstbewustsein führen soll, kann nicht früh genug beginnen. Aus diesen Überlegungen haben wir auf Wunsch der Eltern auch Kinder zwischen drei und sieben Jahren in das Projekt aufgenommen. Und so wurde Anfang Mai diesen Jahres die "Maus-Klasse" eröffnet. Die drei bis siebenjährigen Schülerinnen und Schüler werden neben der
englischen und chinesischen Umgangssprache auch in motorischen Übungen, sowie in lebenspraktischen Fertigkeiten unterrichtet. Zudem wird ihre Fingerfertigkeit geschult, was für das spätere Erlernen der Braille-Schrift von grosser Bedeutung ist.

B. die Orientierungsstufe (Tigerklasse)
Die Orientierungsstufe ist die zweite Stufe des Ausbildungsbereiches. In ihr werden Blinde aller Altersstufen, die neu zum Projekt kommen für ein Jahr in blindenspezifischen Techniken unterrichtet. Zudem erlernen sie die Grundzüge der chinesischen und englischen Umgangssprache. Mit Abschluss der Orientierungsstufe können sich die Schülerinnen und Schüler zu einem weiteren Werdegang entscheiden:
a) Re- und Selbstintegration in einem selbst gewählten Umfeld.
b) Einschulung in die "School for the blind and deaf, Lhasa"
c) Ausbildung in einem Beruf
d) Ausbildung in der vorbereitenden Grundschulklasse, "Hasen-Klasse", die zum Ziel die     Selbstintegration in einer Regelschule hat.

C. Vorbereitende Grundschulklasse (Hasenklasse)
Die Hasen-Klasse bereitet die Schülerinnen und Schüler auf die Integration in der Regelschule vor. Hier erlernen sie flüssiges Lesen und Schreiben in drei verschiedenen Sprachen und mit drei verschiedenen Braille-Schriftsystemen. Aber nicht nur in fachlicher Hinsicht, sondern auch in ihrer Mobilität und in ihren sozialen Kompetenzen sollen die Kinder nach Abschluss der einjährigen Vorbereitungsstufe in der Lage sein, sich selbst in einer Klasse mit sehenden Kindern zu integrieren.

D. Die Berufsausbildung
Die Berufswahl für blinde Jugendliche und Erwachsene soll durch unser Angebot nicht eingegrenzt werden. Das Angebot soll lediglich als Vorschlag für einen möglichen Beruf verstanden werden, der einerseits in der tibetischen Gesellschaft gebraucht wird, andererseits von Blinden auszuführen ist. Die blinden Jugendlichen und Erwachsenen werden dazu angehalten, auch ihre eigenen Zukunftspläne und Berufsideen zu entwickeln.
In folgenden Berufen werden Schülerinnen und Schüler bereits ausgebildet:
a) Medizinische Massage und Physiotherapie,
b) Musik
c) Computer

Erweiterung der Berufsausbildung
Intensivkurse in medizinischer Massage und Physiotherapie.
Wie jedes Jahr kam auch in diesem Frühjahr die blinde Physiotherapeutin Monique Assal und bereitete die Massage-Schüler in sehr intensiver Weise auf selbstständiges Arbeiten vor. Sie seien bereit, so Monique, eine eigene Praxis aufzumachen. Zudem wurden sie zu Gymnastik-Lehrern ausgebildet und konnten nun den Gymnastik- und Bewegungstraining- Unterricht der Mause- und Tigerklasse übernehmen. Die 17jährige Dolma wurde erfolgreich in die zweite Massageklasse integriert. Mit Hilfe der anderen Schüler kann sie den Stoff schnell aufholen.

Im Herbst diesen Jahres gab es einen weiteren Intensivkurs in medizinischer chinesisch traditioneller Massage. Der vierwöchige Kurs wurde durch die chinesische Blindenorganisation angeboten und von einem erfahrenen Massage-Arzt geleitet. Er war erfreut und sehr überrascht, wieviel die Schüler und Schülerinnen bereits wussten. Er brauchte nicht mehr auf die Grundlagen einzugehen, sondern ging gleich auf spezielle Behandlungsmethoden von Erkältungskrankheiten und anderen Beschwerden über. Am Ende des Kurses bekamen alle eine offizielle, in China anerkannte und hoch respektierte Lizenz, so dass jeder der Schüler eine eigene Massagepraxis eröffnen kann.

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2. Hilfe bei der Selbstintegration
Das Grundkonzept des Rehabilitations- und Trainingszentrums ist daraufhin ausgelegt, dass die Schülerinnen und Schüler, die unsere Ausbildung durchlaufen, nach möglichst ein bis zwei Jahren in der Lage sind, sich in Schule oder Beruf, also in der Gesellschaft zu integrieren. Für eine erfolgreiche Selbstintegration ist nicht in erster Linie die genaue Kenntnis von Spezialtechniken Voraussetzung, als viel wichtiger sehen wir soziale Kompetenz und Selbstvertrauen, ohne Scheu und Scham auf Sehende zuzugehen, mit Sehenden interagieren zu können. Von vielen Besuchern kamen Bedenken, ob unsere Schülerinnen und Schüler überhaupt bereit seien, die relativ luxuriöse Einrichtung mit sehr familiärer Atmosphäre zu verlassen. Wir waren uns auch lange unschlüssig, wie die Kinder auf diese neue Phase ihres Lebens reagieren würden. Behutsam sprachen wir Anfang letzten Jahres das Thema "Selbst-Integration" an. Die Reaktionen waren höchst unterschiedlich: Bungzo und Nyima, die zu den ersten vier Integrations-Schülern gehören sollten, jaulten jedesmal laut auf, wenn wir nur das Wort "reguläre Schule" in den Mund nahmen. Kyila jedoch, die kurz vor Abschluss ihrer dreijährigen medizinischen Massage-Ausbildung stand und zusammen mit Diggi eine eigene Massage-Praxis in Lhasa eröffnen wollte, empfand die Loslösung vom Zentrum als ein grosses Abenteuer. Im Geiste begann sie bereits eine virtuelle Wohnung einzurichten und plante mit Yudon eine Wochenendschule, in der die beiden Englisch-Nachhilfe geben wollten. Diesen Abenteuer-Gedanken übernahmen wir und bereiteten so die etwas ängstlicheren Schüler vor.


Ich verglich unser Zentrum mit den heissen Quellen von Therdom, die von den meisten unserer älteren Schüler bereits besucht wurden. Die Quellen sind wohlig warm, gesund, energiespendend und es macht Spass darin zu baden. Nach einer Weile wird man aber müde und schlapp und die Haut wird runzelig und alt. Es ist daher wichtig, den richtigen Zeitpunkt zu finden, rauszugehen.

Traumfabrik
In diesem Sommer gab es eine Krise, die das behutsam aufgebaute Selbstvertrauen um ein Vielfaches wieder zurückzuwerfen drohte. Diese Krise hatte mit einem unserer Lehrer zu tun, der aus falsch verstandener Motivationstaktik den Schülern, die bald die Einrichtung verlassen sollten, erklärte, dass sie sich anstrengen könnten wie sie wollten, sie würden doch nur als Bettler auf dem Barkhor landen. Bungzo meinte daraufhin, sie wolle Toilettenfrau werden, das sei das einzige, was sie könne. Ich erwiderte, dass sie dann sicherlich eine Luxus-Toilettenfrau sein würde, denn sie sei bestimmt die erste Toilettenfrau, die drei Sprachen fliessend spräche und darüber hinaus Computerkenntnisse habe. Um die Kinder wieder neu zu ermutigen, an ihre Fähigkeiten und besonders an ihre Zukunft zu glauben, organisierten Paul und ich eine Traumfabrik, in dem die abgehenden Schüler ihren schönsten und farbigsten Zukunftstraum entwerfen sollten. Eine Woche lang arbeiteten alle Abgänger fieberhaft an ihrem Traum. Das Ergebnis war verblüffend! Alle Kinder verfassten ihren Traum in englischer Sprache. Einige kreierten eine richtige Radioshow auf Cassette, mit Musikfanfaren im Hintergrund und verheissungsvollen Reden und Ankündigungen.
Alle Kinder hatten zunächst einmal das gleiche Grundziel. Sie wollten noch viel lernen und später einmal sehr reich sein. Das Geld, und da waren sich alle einig, sollte nicht für privaten Spass verwendet werden. Einige wollten Blindenschulen aufbauen, andere Krankenhäuser, wieder andere Altersheime. Gyendsen (17 Jahre alt) z. B. möchte Businessmann werden, er möchte Bücher verkaufen und mit dem Geld will er dann unser Zentrum in Lhasa fördern. Paul und ich können uns nur allzu gut vorstellen, wie wir in zehn Jahren einmal in Gyendsens Vorzimmer sitzen und schüchtern einen Finanzantrag formulieren. Norbu (13 Jahre alt) möchte Käsefabrikant werden und mit dem Geld mindestens zwei Blindenschulen und seine Eltern unterstützen. Jampa (19 Jahre alt) erträumte sich ein Teehaus, das er zusammen mit seinem blinden Vater und seinem ebenfalls blinden Zwillingsbruder Dorje in seinem Heimartdorf aufbauen möchte. Es soll einen schönen Garten haben, in dem sich Gäste entspannt unter Bäumen zurückziehen können. Das wichtigste aber, so sagt er, sei eine saubere Toilette. Jampa hat mit diesem Gedanken in der Tat den Nagel auf den Kopf getroffen. Sein Dorf ist an der Hauptstrasse von Lhasa nach Kathmandu lokalisiert. Es befindet sich in der Nähe von Lhatse, einer unheimlich hässlichen Trucker-Stadt. Auf der gesamten Strecke zwischen Shigatse und Lhatse gibt es tatsächlich keine wirklich einladenden Teehäuser und erst recht keine sauberen Toiletten. Jampa glaubt, unseres Erachtens zu Recht, dass gerade der Gedanke einer sauberen Toilette viele Touristen anlocken wird. "Und vielleicht," so sagt er, "erleben auch Tibeter, wie schön es sein kann, auf eine saubere Toilette gehen zu dürfen."


Selbst-Integration in den unterschiedlichen Berufen


Jampa wird wohl schon sehr bald seinen Traum verwirklichen.
Nachdem wir lange mit ihm und seinem Vater über die Machbarkeit eines solchen Teehauses sprachen, bewilligten wir einen Zinsfreien Kleinkredit von etwa €500, mit dem die erste Einrichtung realisiert werden kann. Jampa möchte aber alles bis auf den letzten Yuan zurückzahlen und dann, wenn der Laden läuft, will er einen bestimmten Prozentsatz dem Projekt als Unterstützung geben.
Paul hat bereits eine Bauzeichnung angefertigt und wird im nächsten Frühjahr die Bauleitung überwachen.

Chilä, einer unserer ersten Schüler, hat die Musikausbildung in unserem Zentrum beendet und ist, ausgestattet mit mindestens vier Mundharmonikas, einem Kassettenrekorder und einem ganzen Sack voller Geschenke, wieder in sein Dorf zurückgekehrt. Er ist ein sehr guter Sänger und ein Virtuose auf der Mundharmonika und wird sicherlich sein Umfeld musikalisch bereichern. Auf die Frage, wie er sich denn fühle, jetzt wieder nach Hause gehen zu können, meinte er: "es war schön im Zentrum, aber Zuhause ist es auch schön."

Norbu, der mit Tieren gross geworden ist und über einen sehr praktisch-technischen Verstand verfügt, möchte keine weitere Schulausbildung. Er möchte, sobald die Trainingsfarm aufgebaut ist, zu ihr überwechseln, um dort seinen Traum, Käsefabrikant zu werden, wahrzumachen.

Tensin Metog hatte es wohl am schwersten, sich mit dem Gedanken, das Zentrum zu verlassen, anzufreunden. Zunächst weinte sie fürchterlich und bat uns, ihr doch einen Job im Zentrum zu verschaffen. Die Mitarbeiter erklärten ihr, wie gut sie es doch habe, da sie nicht sehr weit vom Zentrum entfernt lebe, sehr liebevolle und aktive Eltern habe und von niemanden mit ihren Wünschen alleine gelassen würde. Schliesslich entwickelte sie den Plan, einen kleinen Laden in ihrem Dorf aufzubauen und so begann sie sich wie die anderen auch auf das Abenteuer "Zukunft" zu freuen.

Diggi und Kyila, 22 und 17 Jahre alt, haben ihre dreijährige medizinische Massage- und Physiotherapie-Ausbildung erfolgreich abgeschlossen. Durch Tashi Zering, einem bekannten tibetischen Autor und langjährigen Freund des Projektes, bekamen sie die Möglichkeit, eine Zweizimmerwohnung in der Nähe des Barkhors zu mieten und als Massagepraxis und Wohnung einzurichten. Sie möchten auf eigenen Füssen stehen, selbst einkaufen und kochen und Paul und mich abends einmal zum Essen einladen. Auch wollen sie ihren eigenen Patienten-Stamm aufbauen. Es soll eine Massage-Klinik nur für Frauen werden, für einheimische und für Touristinnen. Solange der Kundenstamm noch nicht gross genug ist, werden sie tibetische und chinesische Brailleschrift so wie Mathematik-Schrift und Gymnastik in der Frühförderung und der Orientierungsstufe unterrichten.




Einschulung der ersten vier Abgänger: Die Kinder unseres Zentrums
Die Einschulung vier unserer Schüler in eine reguläre Internatsschule war eines unserer wichtigsten Ziele, die wir in diesem Jahr realisieren konnten. Über zwei Jahre hinweg wurden wir von unserem Counterpart vertröstet, doch noch etwas zu warten, die Kinder seien vielleicht dazu bereit, aber die Gesellschaft noch nicht. Im diesem Sommer baten wir die Organisation Save The Children um Hilfe. Die Organisation kümmert sich vornehmlich um die Ausbildung in Tibet und kannte das lokale Erziehungsamt der Region um Medrogonga sehr gut. Ein wenig ausserhalb von Medrogonga gibt es eine gut ausgestattete Internatsschule, die vor etwa zehn Jahren von einer schwedisch-tibetischen Organisation aufgebaut und finanziert wurde. Nach etwa fünf Jahren wurde sie von der Regierung übernommen. Diese Schule hatten wir bereits vor geraumer Zeit als die ideale Integrationsschule anvisiert. Es ist ein schönes Gelände, die Gebäude sind im relativ gutem Zustand und nicht so vernachlässigt wie in anderen schulischen Einrichtungen, die Lehrer sind sehr motiviert und engagiert, kurzum, es herrscht dort eine gute und freundliche Atmosphäre. Anfang September vereinbarten wir eine Sitzung mit dem lokalen Erziehungsamt. Zunächst Hiess es, wir sollten die Kinder in Lhasa lassen, und erst einmal allein mit der Regierung sprechen. Dann kam aber die Meldung, wir sollten die Kinder doch mal mitbringen. Als wir dann schliesslich in Metrogonga ankamen, schien es keine Sitzung mehr geben zu müssen, man brachte uns gleich für einen Leistungstest in die schwedische Schule. Von Anfang an behandelten die Lehrer und der Direktor unsere Kinder, Sonam Bongso, Gyendsen, Nyima und Yudun mit viel Sympathie und Offenheit. Der Einstufungstest schien für alle ein grosser Spass. Die Kinder wurden in Englisch, Chinesisch, Mathematik und Tibetisch getestet und alle Fächer meisterten sie mit Bravour und einem grossen lässigen Grinsen. In Englisch waren sie dem Englischlehrer ein wenig überlegen. Der aber machte sich nicht viel daraus und meinte, er würde gerne mit ihnen viel Englisch reden, damit er in Übung bliebe. Am Ende des Tages luden wir die zukünftige Klasse und ihre Lehrer zu uns nach Lhasa ein. Diese Einladung war sehr wichtig, denn so konnten sich die Kinder aneinander gewöhnen. Erste Freundschaften wurden bereits geschlossen und die sehenden Kinder lernten etwas über die Welt ihrer blinden Klassenkameraden. Am zweiten Oktober wurden dann die Kinder mit all ihren gedruckten Büchern, mit ihren neuen Wintersachen und vielen Geschenken der Mitarbeiter und der verbliebenen Kinder in die schwedische Schule aufgenommen. Es gab wohl die ein oder anderen Bedenken, ob die Kinder es schafften. Wir hatten die Befürchtungen, dass sie sich nicht wirklich zu Hause fühlen könnten, denn, so sagten sie, das Essen sei im Vergleich zum Essen im Zentrum absolut nicht schmackhaft und sie Seien gezwungen, sich morgens im Fluss zu waschen. Die anderen Kinder würden sich nicht die Zähne putzen und sonst auch sich nicht so viel waschen, aber sie seien es nun mal gewöhnt, sauber zu sein. 

Die Lehrer der schwedischen Schule hatten die Befürchtungen, sie würden sich auf dem grossen Gelände nicht zurecht finden und vielleicht auf Dauer auch nicht wirklich im Unterricht klarkommen. Alle unsere Befürchtungen waren unberechtigt. Schon nach nur vier Wochen waren die Kinder vollkommen integriert. Sie sehen gesund, lebendig und gutgelaunt aus. Sie haben in der Schule Freunde und Feinde (Gyendsen hat sogar einige Anbeterinnen) und sie kommen äusserst gut mit dem Unterrichtsstoff in allen Fächern klar. An einem Nachmittag nahmen wir Wangchen Gelek und Chünpel, die beiden Präsidenten unseres Couterparts auf einen Besuch mit. Wir schlichen in den Chinesisch-Unterricht, und alle waren begeistert, mit welchem Eifer unsere Kinder im Unterricht mitmachten. Der Direktor erzählte nicht ohne Stolz, wie die Blinden ein Schwedisches Filmteam über den Campus führten. Sie seien die einzigen gewesen, die sich wirklich mit den Ausländern unterhalten konnten und darüber hinaus seien sie überhaupt nicht kamerascheu.

Die ersten grossen Klassenarbeiten vor den langen Winterferien wurden von allen vier mit Auszeichnung bestanden.

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D. Neue Kinder
Nach dem Abgang der ersten Graduenten konnten wir eine Reihe von neuen Kindern aufnehmen.

Tashi Punzog (Mause-Klasse)
Tashi Punzog ist etwa vier Jahre alt und kommt aus dem gleichen Dorf wie die drei Geschwister Kyila, Dorje und Jampa. Tashi Punzog wurde wegen seines umgänglichen und lustigen Wesens bald zum Liebling aller Kinder erklärt und weil er so kugelrund ist, wird er "Bollo" genannt.

Kelsang (Tigerklasse)
Kelsang ist 12 Jahre alt und kommt aus Metrogonga. Er ist ein sehr besonnener und hilfsbereiter Junge, hat bereits viele Freunde und ist eine echte Bereicherung für die Schule. Er hat noch einen kleinen Sehrest und kann wunderbare Bilder malen. Seine sehende Schwester geht zusammen mit Yudon, Gyendsen, Bungzo und Nyima in die schwedische Schule. Unsere Kinder dienen als Postboten, wenn die Geschwister sich Briefe schreiben und kleine Geschenke schicken.

Migmar (Tigerklasse)
Migmar ist ein Mädchen. Es ist neun Jahre alt und kommt aus Sakyia. Sie ist sehr ruhig, aber hat schnell Anschluss gefunden. Ihre beste Freundin ist die ebenfalls sehr stille Lhakdon aus Lhoka.

Lobsang (Tigerklasse)
Lobsang ist 15 Jahre alt und kommt aus einem kleinen Dorf in der Nähe von Lhatse. Er wurde als Hauptrolle für Uwe Goossens Dokumentarfilm ausgewählt. Lobsang ist sehr redefreudig, intelligent und manchmal etwas laut, da er gerade im Stimmbruch steckt. Er prügelt sich gerne mit den anderen Jungs und ist alles in allem ein lieber und hilfsbereiter Kerl. Sein bester Freund ist der 13jährige Dachung.

Zering Yudon (Tigerklasse)
Zering Yudon ist 12 Jahre alt und kommt aus QueQue. Sie ist sehr ruhig, aber beteiligt sich gerne an allem, was im Projekt geschieht. Sie kann sehr gut stricken und hat darum eine gute Handmotorik, die man auch zum Braille-Schrift-Lesen braucht.

Lhagpa Zering (Mauseklasse)
Lhagpa Zering ist wohl unser jüngster Schüler. Wir schätzen ihn auf etwa drei Jahre. Er kommt ebenfalls aus Sakyia. Sein bester Freund ist Bollo. Aber manchmal wird Bollo zu grob und dann piepst er den 14jährgen Norbu um Hilfe.

Dawa Zering (Mauseklasse)
Dawa Zering ist 7 Jahre alt und kommt aus dem nahe gelegenen Dölung. Er gebärdet sich noch ein wenig als Störenfried, scheint seine Grenzen noch nicht genau zu kennen, wird aber bereits von den anderen Kindern in die Mangel genommen. Sein Feind ist der sechsjährige Zering, ebenfalls Mauseklasse. Zering war bisher der König in der Klasse, da er über vier Mädchen herrschte. Drei der Mädchen (Zering Lhamo, Lhakdon und Zering Yangzung) sind aber bereits in die Tigerklasse aufgestiegen und der arme Zering muss nun mit drei neuen Jungen und nur zwei Mädchen ausharren, und Dawa Zering macht es ihm nicht leicht, die Stellung zu wahren.

Lhachi Drolma
Lhachi Drolm ist 8 Jahre alt und kommt aus Lhoka. Sie ist est vor ein paar Wochen in das Projekt augenommen worden, hat sich aber schon gut eingelebt und Ihren Platz in der Mause klasse gefunden.


Klassenaufstellung

Mauseklasse:
Zering (6) Junge
Ze Yudon (4) Mädchen
Dawa Zering (7) Junge
Lhagpa Zering (3) Junge
Tashi Punzog (4) Junge
Lhachi Drolma (8) Mädchen



Tigerklasse:
Migmar (9) Mädchen
Dawa Tashi (13) Junge
Zering Yudon (12) Mädchen
Wugyen Punzog (9) Junge
Lobsang (15) Junge
Ze Lhamo (7) Mädchen
Ze Yangzung (6) Mädchen
Kelsang (12) Junge
Lhagpa (8) Mädchen
Pendron (13) Mädchen

Hasenklasse:
Dachung (13) Junge
Gyumi (8) Junge
Sonam Penden (11) Junge
Ze Diggi (11) Mädchen
Nyima Wangdu (13) Junge
Norbu (14) Junge
Sonam Wandu (14) Junge
Ngudup (16) Junge

Massageklasse:
Tendsin (15) Junge
Tashi Passang (17) Junge
Dolma (17) Mädchen

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3. Die Musikklasse ist in diesem Jahr beendet worden.

A. Der Oktopus (Bericht zur neuen Braille-Schreibmaschine)
Die reguläre Braille-Schreibmaschine ist gross, schwer, sehr komplex und für einen Blinden in einem Entwicklungsland meist nicht zu finanzieren. Paul Kronenberg, gelernter Maschinenbauer, erkannte die Defizite dieser Braille-Schreibmaschinen, besonders für den Gebrauch in Entwicklungsländern. Auf der Basis einer alten britischen Maschine "stainsby-Writer" entwickelte er die Idee für ein neues Modell mit den folgenden Eigenschaften: Diese Maschine sollte klein und transportabel sein. Man sollte sie mit einfachen Mitteln und wenig Fachkenntnisreparieren können und, sie müsste sehr viel billiger sein, als das herkömmliche Produkt. Kurzum sie sollte ein Rolls-Royce für den Preis eines Suzukis werden. Ein Anliegen, das wohl alle Hersteller sonstiger Braille-Schreib-Modelle auf die Barrikaden bringen wird.



Olaf Litjens, ein in Schanghai situierter holländischer Geschäftsmann war von dieser Idee begeistert und bot seine finanzielle und organisatorische Hilfe an. Er finanzierte den Tibet-Aufenthalt einer deutschen Feinmechanikerin und Maschinenbauerin, Birte van der Horst, die in nur drei Wochen zusammen mit Paul einen Vor-Prototyp entwickelte. Da mich diese Maschine mit ihren acht Pfötchen etwas an eine Krake erinnerte und sich Pauls Lieblingsgeschichte um die Pflege eines Oktopusses handelt, tauften wir das Gerät "oktopus". Der Oktopus wurde in Schanghai einem bekannten Designer vorgestellt, der sich für die designerische Vollendung begeisterte. Sobald aber auch die Mechanik einen guten Stand erreicht hat, wird er verschiedenen Blinden zur Probe vorgeführt, bevor er in die endgültige Produktion wandert.

B. Spiele und Hilfsmittel
Zum ersten Mal entwickelten wir mit Hilfe der deutschen Blindenpädagogin Christine Hügler, einige Materialien, die wir sowohl zum Training, als auch zur Freizeitgestaltung nutzen können.

a) akustisches Memory
32 geschlossene Filmdöschen werden in ein Lochbrett gesteckt. Die Döschen sind in sechzehn Paare eingeteilt. Ein Paar ist mit getrockneten Erbsen, ein anderes mit Reis, Sand oder kleinen Steinchen gefüllt. Die Geräusche sind nicht sehr unterschiedlich und man kann sie nur durch genaues Hinhörenm unterscheiden.

b) Geruchsmemory
Das gleiche Prinzip, aber mit unterschiedlichen Geruchspaaren. Currygewürz, Chili, mit einem gewissen Parfüm getränkte Wattebäuschchen, zermahlene Räucherstäbchen, Seifestückchen usw. Damit auch die Sehenden nicht mogeln, müssen sie es ebenfalls unter der Augenbinde probieren.
Einige der Kinder und vor allem die sehenden Mitarbeiter hatten grosse Probleme, die Paare zusammenzustellen. Andere wiederum schafften es in rasender Geschwindigkeit. Durch dieses Spiel kann man erfahren, wieviel Konzentration die Spieler bisher auf ihre Ohren und Nasen aufgewendet haben.

c) Knopf- und Schleifenrahmen
Über Holzrahmen wurden zwei Stofflappen gespannt, die in der Mitte entweder durch Knöpfe, Reisverschlüsse oder Schleifen zusammengehalten werden. Diese Materialien werden nun besonders im lebenspraktischen Unterricht der Frühförderung, wo es um Ankleiden und Auskleiden geht, eingesetzt.

d) Sortierboxen
Für den Unterricht, in dem es um Fingerfertigkeit geht, entwickelte Christine
Hügler Sortierboxen, in die Hülsenfrüchte unterschiedlicher Grösse eingeordnet werden sollen.



e) Holzpuzzle
Der Schreiner des Projektes fertigte Holzfiguren an, die in die jeweils passenden Aussparungen eines Holzbrettes gelegt werden müssen. Diese Puzzle fördern Fingerfertigkeit und Vorstellungsvermögen.

f) Geometrische Formen
Für den Unterricht der in Medrogonga integrierten Schüler stellten wir aus Holz Geometrische Formen, aber auch Tortenstücke zur mathematischen Verständlichkeit des Bruchrechnens her.

g) Tibet in Miniatur
Zwei tibetische Handwerker erfuhren von unserem Projekt und brachten eines Tages eine Kiste voller selbstgemachter Spielsachen mit. Ein tibetisches Miniatur-Haus, im Stil eines Adelspalastes, von innen mit einer kleinen Lampe beleuchtet, ein Miniaturzelt, ein kleiner Stupa, einige kleine Schränkchen und ein geschnitztes typisch tibetisches Tor. All diese Schätze wurden von Norbu liebevoll auf einem Tisch im Wohnzimmer zu einem Dorf zusammengestellt und vor allzu groben Kinderhänden bewacht.


C. Neue Bücher aus der Braille-Druckerei
Folgende Lehrmaterialien wurden in diesem Jahr erstellt:

  1. "Tibetan fairytails" (ein Englisch-Lehrbuch für die Tigerklasse, mit Übungen und Vokabeln).Aku donpa Geschichten (tibetische Märchen der berühmten Gestalt des Akudonpa)."The Little Mermaid", von Anderson (ein Märchenbuch in Englisch mit tibetischem Vokabelverzeichnis)."Follow me" (ein Englisch-Lehrbuch für die Hasen-Klasse, mit ausführlicher Grammatik in tibetischer Sprache und einem tibetischen Vokabelteil)."English study 1" (ein Englischbuch für Anfänger)."English study 5" (ein Englischbuch für die 5. Grundschulklasse)."my Grandmother says" (ein tibetisches Märchen über einen Schneeleoparden mit taktilen Bildern)."Sodechenpo 3" (Neuauflage des Englisch-Tibetischen Wörterbuches)."Fingerprint 2" (Ein Lehrbuch zum Studium der Englischen Braille-Kurzschrift, mit tibetischem Vokabelverzeichnis).Massage und Physiotherapie (ein fünfbändiges Werk, erstellt durch MSF, in tibetischer Sprache).Chinesisch, ein Lehrbuch für die dritte Grundschulklasse.Tibetisch 2.Tibetisch 5.Mathematik 3.allgemeines Wissen, für die dritte Grundschulklasse.Biologie, für die dritte Grundschulklasse."Verhaltensregeln" ein Lehrbuch für die dritte Grundschulklasse."What a beautiful sight" Eine Tibetisch-englische Mitschrift des Theater-stückes unserer Braille-Ohne-Grenzen-Kinder."my favorite songs" (ein Buch mit zusammengestellten englischen Songtexten und tibetischem Vokabelverzeichnis).
  2. "tibetan stories" (ein Buch für Leseanfänger in tibetischer Sprache, mit taktilen Bildern

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III.  “Braille Without Borders“ in der Öffentlichkeit

1. Evaluation
Im Juni diesen Jahres ging unser vor zwei Jahren geschlossener Vertrag zwischen uns und der "Tibet Disabled Person's Federation" zu Ende. Ein neuer Vertrag musste her, aber zuvor, so das Auswärtige Amt, müsse eine externe Evaluation von unserem Projekt gemacht werden. Ein fähiger Evaluator wurde schnell gefunden. Dr. Carlos Mondragon ist Anthropologe und kommt aus Mexico. Er hatte seine zweijährige Forschungsarbeit für den Dr.-Titel in Cambridge auf einer abgelegenen Südseeinsel verbracht und danach für ein Jahr den Aufenthalt in der tibetischen Universität für ein Post-Doc-Studium in Kauf genommen. Während der vierwöchigen Evaluationszeit, setzte er alles daran, das Projekt von innen und aussen vollkommen zu durchleuchten und zu verstehen. Wir glauben, es ist ihm wie sonst kaum jemanden gelungen, ein umfassendes Bild von unserem Zentrum und unseren Ansätzen zu schaffen.

2. Neuer Vertrag mit der Regierung
Sowohl die "Verritterung", als auch die positive und umfassende Evaluation sorgte für eine dreijährige Vertragsverlängerung. Sowohl unser Partner, als auch das Auswärtige Amt waren durch unsere meist gute Zusammenarbeit angetan und möchten sie nun auch in Zukunft fortführen.

3. Tag des weißen Stockes
Am 15. Oktober, dem Tag des weissen Stockes, feierte die Regierung, die hiesige Blindenorganisation, die Blinden-Schule und wir zusammen in unserem Zentrum. Es gab eine Band, viele Momos und für die Funktionäre eine Menge Bier, das sie sich selbst mitgebracht hatten.
Für uns war die Wahl, die auf unser Zentrum als Festtagsort fiel, ein Zeichen von Anerkennung und Akzeptanz. Es bedeutet, dass unsere Einrichtung tatsächlich das Zentrum der Blinden Tibets repräsentiert.

4. Zum Ritter geschlagen
Seit einiger Zeit hatte sich der holländische Botschafter Flip de Heer angekündigt. Er wolle doch mal mit seiner Frau nach Tibet kommen, um uns und das Projekt in Augenschein zu nehmen. Der Botschafter war für Montag, den sechsten Oktober angekündigt. Zu diesem Zeitpunkt waren gerade meine Eltern zu Besuch und sie freuten sich auf die Begegnung mit der Botschaft, die uns in der Vergangenheit in vielfältiger Weise unterstützt hatte. Am Tag vor dem Treffen erfuhren Paul und ich von unserem Evaluator, dass wir das Projekt Montagmorgen verlassen sollten. Es musste also irgendetwas im Gange sein, aber es war uns nicht ganz deutlich, was das sein sollte. In einem Restaurant trafen wir auf Andrew, dem britischen Leiter von "Save the Children". Er meinte, wir würden uns ja gleich im Projekt sehen. Auch andere expatriots hatten sich bereits verplappert, sodass wir uns ein wenig zusammenreimen konnten. Was uns dann letztendlich "widerfuhr", hatten wir uns doch nicht wirklich vorstellen können. Als wir zur verabredeten Zeit in unserem Projekt auftauchten, waren auf der Dachterrasse tatsächlich alle Expatriots versammelt. Es gab ein Riesen Buffet, eine Kapelle mit Tänzern und Sängern und natürlich Presse. Der Botschafter hielt eine Rede über die gute Zusammenarbeit und dass die Botschaft beschlossen habe, das geplante Käseprojekt finanziell zu unterstützen. Er hatte Geschenke mitgebracht. Käse, Wein und Schokolade. und dann holte er eine Urkunde, gezeichnet von der holländischen Königin heraus. Diese Urkunde besagte, dass sowohl Paul als auch ich zum Ritter des Orange Nassau Ordens geschlagen werden sollten. Wir bekamen einen Tusch, einen Beifall und eine Medaille an die Bluse geheftet. Später erfuhren wir, das ein deutscher Besucher diese Ehrung bei der holländschen Botschaft für Paul beantragt hatte. Für mich hatte er Ähnliches bei dem deutschen Auswärtigen Amt vorgenommen. Die Holländer waren jedoch schneller. Dass wir noch so jung waren und ich dazu keine Holländerin, stiess bei Königin Beatrixs zwar auf Erstaunen, hielt sie von der Ehrung durch den Botschafter aber nicht ab. So empfinde ich die Holländer: unbürokratisch, schnell und flexibel.



5. Ein neuer Film von Uwe Gooss
Uwe Goss ist ein deutscher Filmregisseur, der 1999 schon einmal in Tibet war und den ersten Dokumentarfilm "Mit anderen Augen" über das Projekt drehte. Der Film war damals unter der Hand gedreht worden, aber da er nichts Politisches beinhaltete, wurde er von den Offiziellen im Nachhinein akzeptiert und sogar gelobt. Diesmal aber reiste das Filmteam von Uwe Goss mit hochoffizieller Einladung ins Land und wurde auch in Tibet vom lokalen Auswärtigen Amt, sowie von unserem Partner "Tibet Disabled Person's Federation" umsorgt und nach Kräften unterstützt. Das Hauptthema dieses Films war zu unserer Erleichterung nicht die dokumentarische Observation unseres Projektes. Uwe wollte ein blindes Kind, das aus einem Dorf weit entfernt von Lhasa, zu uns in die Schule kommt, begleiten. Durch Renzin, einen befreundeten Tibeter, lernte er den 15jährigen Lobsang kennen. Lobsang ist seit Geburt blind, war niemals in einer Schule und kommt aus einer recht ärmlichen Familie. Er ist unglaublich redefreudig, hat keine Scheu, auf neue Leute zuzugehen und freut sich schon seit einem Jahr, endlich zu uns ins Zentrum kommen zu dürfen. Wie er die Reise nach Lhasa und die Lebensveränderung durch das Zentrum erlebt, wird Uwe Gooss in seinem Film "Tibets blinde Kinder" dokumentieren.

6. Internationale Presseartikel in 2003
Artikel in der New York Times / Hindustan Times
Artikel im Outside Magazine
Artikel im Hong Kong Morning Post
Artikel im Xinhua News Agency.

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IV. Aktivitäten

1. Wichtige Erneuerungen in Gebäuden des Blinden-Zentrums in Lhasa
Um die neue und klare Struktur des Projektes auch äusserlich sichtbar zu machen, entschieden wir uns für die Umgestaltung einiger Räumlichkeiten. Die Böden in Esszimmer, Flur und im Vorraum unseres Büros wurden mit hellen und freundlichen, leicht zu säubernden Kacheln ausgelegt und die Böden im Wohnzimmer, in der Massageklinik und im Büro wurden mit hellen Holzplatten versehen.
Der Vorraum unseres Büros wurde zur Trainingsküche umfunktioniert. In dieser Trainingsküche werden Schülerinnen und Schüler der Hasenklasse, der Tiger-Klasse und der Berufsausbildungsklassen in Kochen und Backen unterrichtet. Der Bereich hinterm Haus wurde mit Schieferplatten versehen und von der Strasse aus durch ein Tor abgegrenzt, damit keine Unbefugten von hinten auf unser Grundstück gelangen können.



Das Büro wurde durch einen Wintergarten erweitert, der den nach Norden gelegenen Raum von Süden her aufheizt. Da in der Vergangenheit die Angst vor Dieben und Mördern, mehr oder weniger begründet, um sich griff, installierten wir Bewegungsmelder und eiserne Gitterstäbe vor Fenstern und Türen, die zum Garten hinausführen.
Auch unser Kinder liebender Nomadenhund mit Namen Pucki Yamdrok hat sich
mittlerweile zu einem Gesindel-Schreck entwickelt, der allerdings auch vor Botschafter-Hintern nicht Halt macht.

2. Ein Theaterstück von Kyla „What a beautiful sight“
Im vergangenen Juni, während der Sars-Zeit, wurde durch die Organisation Terma eine Ausstellung zum Thema Umwelt und Gesundheit eröffnet. Die Ausstellungsleiter waren auf den Besuch blinder Kinder allen Alters sehr gut vorbereitet und unsere Schüler waren begeistert von den unterschiedlichen Aktivitäten, Experimenten und Lehrinhalten. Die 17jährige Kyila war besonders von der Umwelt-Thematik inspiriert und machte sich gleich am nächsten Tag daran, eine Kurzgeschichte in englischer Sprache zu verfassen. Wir alle waren so beeindruckt von dieser Geschichte, dass wir den Kindern vorschlugen, doch in den Sommerferien ein tibetisches Theaterstück aus der Geschichte zu entwickeln. Aus dem Theaterstück wurde ein einstündiges Musical mit von den Kindern selbstgedichteten Lied- und Sprechtexten. Das Ganze wurde ein grosser Erfolg und die Organisation Kunde-Foundation bat die Kinder, es auf einer Gesundheitswoche im Lhoka-Distrikt aufzuführen. Leider spielte die lokale Regierung nicht mit. Sie verbat den Auftritt mit der Begründung: Falls Ausländer dieses Stück sähen, gäbe das einen falschen Eindruck. Sie würden glauben, es gäbe viel zu viel Blinde in Tibet. Es scheint an ihr vorbeigegangen zu sein, dass es tatsächlich mit 33.000 Blinden, also 1,8%, viel zu viele Blinde in der autonomen Region gibt.

3. Workshop zu HIV / Aids
Die Organisation "Save the Children" macht seit geraumer Zeit, von der Regierung geduldet Aufklärungsarbeit über Aids-Vorsorge in tibetischen Schulen. Allerdings müssen Schulen in Lhasa gemieden werden, da man von tibetischer Seite Angst habe, der Aufklärungsunterricht, der natürich auch Sexualität thematisiert, würde die urbanen Jugendlichen auf unzüchtige Gedanken bringen. Da aber Sexualität bei unseren Jugendlichen unverhinderbar ein Thema zu werden "droht", nahmen wir uns trotz Lhasa-Zugehörigkeit heraus, die Kenntnisse der Organisation in Anspruch zu nehmen. Von einer männlichen und einer weiblichen Beratung aufgeklärt, hatten wir die Jugendlichen natürlich auch streng in männlich und weiblich aufgeteilt. Die jungen Mädchen wurden von der ihnen wohl bekannten Dolma eingewiesen. Sowohl ich, als auch der britische Leiter von "Save the Children" waren während der Sitzung mit den Mädchen anwesend und wir waren alle miteinander erstaunt, wie untibetisch frei diese Kinder reagierten. Selbst der Mann in ihrer Runde störte sie überhaupt nicht in ihren Überlegungen. Ein wichtiges Thema war für die Mädchen Gewalt in der Ehe und dass tibetische Männer dazu neigen, neben ihrer Frau auch viele andere Liebschaften zu unterhalten. Sie waren alle der Ansicht, dass man solche Männer besser vor die Tür setze, denn "frau" käme ja auch gut alleine zurecht. "Nur weil es Männer sind," meinte Kyila, als das Thema Ansteckungsgefahr angesprochen wurde, "müssen wir uns nicht abhängig und klein machen und dadurch in Gefahr bringen lassen!" Und Yudon meinte: "Wir sind selbstständig, haben eine gute Ausbildung und können für uns alleine sorgen!" Diggi bekundete die Angst, dass ihre Blindheit von Männern ausgenutzt werden könne. Sie wolle lieber einen "indji", eien Ausländer, denn der, so glaubte sie, den abstinenten Paul als Vorbild, trinke nicht und sei stets gut gelaunt und hilfsbereit. Das Highlight der Sitzung waren natürlich die Kondome, die nur von wenigen gut
aufbewahrt wurden. Von den anderen wurden sie unter lautem Geschrei zu Ballons und Wasserbomben umfunktioniert.

5. Bootsfahrt auf dem Kyicho
Seit diesem Sommer wurde in Tibet durch die Reiseagentour Windhorse Adventures der Raftingsport eingeführt. Der kanadische Berater und Kajaklehrer Chris Jones und der tibetische Agenturleiter Tashi freuten sich sehr über unser Interesse, eine Rafting-Tour mit blinden Kindern zu unternehmen. An einem sonnigen Augusttag wurden alle Kinder in Neoprenanzüge und
Schwimmwesten gesteckt und mit den Sicherheitsvorkehrungen vertraut gemacht. Während der Bootsfahrt sprangen die Kinder, die niemals schwimmen gelernt hatten, vollkommen unbekümmert ins Wasser und paddelten wie die Wilden. Ein begleitendes Fernsehteam hatte Norbu vor der Abfahrt interviewt. Norbu war bisher immer etwas verlegen. Wenn Fremde ihn etwas fragten, antwortete er meist nur mit einem kurzen "e". Diesmal aber platzte er heraus: "Wir haben keine Angst, wir können das gleiche wie Sehende! Wir brauchen uns nicht zu verstecken!"



6. Austausch mit dem tibetischen Gehörlosen-Projekt
Im Juni 2003 organisierten wir mit der belgischen Organisation Handicapped International eine Zusammenkunft in der Blinde und Gehoerlose ihre jeweiligen Welten kennenlernen konnten. Bei diesem Austausch wurde den Blinden etwas vorgetanzt und die Gehoerlosen wurden von unseren Kindern besungen. Die Gehoerlosen waren bereit die Blindenschrift zu lernen und zeigten den Blinden ihrerseits das tibetische Handalfabet.

7. Birnen-Business
Echte süsse Birnen sind in Lhasa eine Seltenheit. Die einzigen Birnenbäume, die nicht mit einer Apfelsorte gekreuzt wurden, stehen bei uns im Garten. Es ist ein recht alter Baumbestand und die Birnen sind jedes Jahr ein grosser Genuss. Als aber die Birnen in diesem Jahr so richtig saftig-süss und reif waren, wurde der Sportunterricht kurzerhand in ein Bäumekletter-Training umgewandelt. Die Kinder ernteten alle Birnen, bis sie eine Riksha voll hatten und liefen dann mit ihren Stöcken in die Stadt, um sie auf dem Markt zu verkaufen. Die Kinder mit ihren Blindenstöcken, ihren Birnen und ihrem kaufmännischen Verstand machten auf die Bevölkerung Lhasas einen grossen Eindruck. Sie erzählten der staunenden Bevölkerung, dass sie für diese Birnen ruhig 1 bis 2 Yuan pro Kilo mehr zahlen könnten, da sie nicht mit Chemikalien behandelt wurden. Wir glauben nicht, dass die Lhasaner verstanden, was die Kinder ihnen da mitteilen wollten, aber immerhin waren in nur wenigen Stunden alle Birnen verkauft und die Kinder brachten über 600 RMB mit nach Hause. Von diesem hart erwirtschafteten Geld luden die Kinder das Projektpersonal zu einem Picknick ein.

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V. Verschiedenes

1. Hospitierung einer Blindenpädagogik-Studentin
Durch unseren Freund und Unterstützer, den blinden Mathematiker Eberhart Hahn, kam Christine Hügler zu uns. Christine ist Blindenpädagogik-Studentin und schreibt gerade an ihrer Abschlussarbeit. Ihr Thema ist "Blinde und Sehbehinderte in Tibet". Christine war eine Bereicherung fürs Zentrum. Sie lebte sich schnell ein, schloss bald Freundschaften mit den blinden Jugendlichen und unseren tibetischen Mitarbeitern und war sehr aufgeschlossen für neue, unkonventionelle Ansätze. Durch lange Gespräche über Methoden und theoretische Überlegungen wurde mir erst klar, in welcher Weise wir uns von herkömmlichen Ansätzen unterscheiden. Interessant und neu war für Christine unser Grundprinzip der Selbstintegration. Da die ersten Abgänger sich während ihrer Anwesenheit "selbstintegrierten", war sie in der Lage, den Prozess direkt zu verfolgen.  Man hat uns oft vorgeworfen, wir würden uns bewusst von Sonderpädagogen fernhalten, und würden professionelle Ratschläge für unsere Arbeit fürchten und als Einmischung empfinden. Wir sind nicht der Meinung, dass wir jeden professionellen Ratschlag von uns weisen, wir möchten uns aber auch nicht bevormunden lassen und freuen uns, wenn man uns und
unserer Arbeit mit Ernsthaftigkeit, Offenheit und Vertrauen begegnet.



2. Weihnachtskarten
Zu Weihnachten 2003 plante die Organisation Handicapt International die Versendung von selbstgemalten Weihnachtskarten. Der lokale Koordinator Yannick hatte die Idee, in diesem Jahr die Karten von Blinden malen zu lassen. Das Kartenmalen wurde zu einem Fest und die Kinder hatten Riesen Spass. Sie gaben ihren Kunstwerken Namen. Ein blauer Fleck auf weissem Grund wurde mit "grass" betittelt. Ein schwarzer Fleck zwischen roten Punkten hiess: "Vogel auf Apfelbaum". Bei einigen Kindern erkannten wir höchst künstlerische Adern. Besonders Tendsin und Kelsang verblüfften uns mit ihren farbreichen Motiven.


VI. Pläne für das Jahr 2004

1. Trainingsfarm:
In Tibet wird der Schwerpunkt für das Jahr 2004 auf die Einrichtung der Trainingsfarm gelegt. Grünhäuser müssen gebaut, Tiere angeschafft und die ersten Auszubildenden müssen eingeladen werden. Zudem werden wir endlich die langgeplante Käsepoduktion einrichten.

2. Blinden-Zentrum Ladakh:
Sobald die Regierung in Ladakh Land für uns gefunden hat, wird im kommenden Jahr auch ein erneuter Ladakh-Besuch fällig, um den Bau des Zentrums zu planen.

3. Ausbildungszentrum in Kerala / Südindien:
Kerala, das geplante Schlüsselzentrum von Braille ohne Grenzen, in dem Blinde aus der ganzen Welt in Management und Projektleitung ausgebildet werden sollen, steht auf dem Plan. Neben diesem Zentrum soll auch eine kleine Fabrik für Blindenhilfsmittel, im Besonderen für die Herstellung des Oktopus aufgebaut werden.

4. Kletterkurs:
Der blinde Bergsteiger Erik Weihenmayer, der vor zwei Jahren erfolgreich den Everest beklommen hatte, wird in diesem Jahr nach Tibet kommen, um mit uns und fünf Kindern einen Kletterkurs zu veranstalten. Der Höhepunkt dieses Kurses wird eine Bergtour auf einen Siebentausender sein.

Um diese und viele andere Projekte und Ideen zu realisieren, brauchen wir Ihre weitere Solidarität und Unterstuetzung.

Im Namen der Kinder und Mitarbeiter möchten wir Ihnen ein frohes neues und erfolgreiches Jahr wünschen.

Ihre Sabriye Tenberken
Ihr Paul Kronenberg
Braille Without Borders, Braille Ohne Grenzen
http://www.braillewithoutborders.org

 

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