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Mission
Ladakh November - Dezember 2003 |
Erste Eindrücke von Ladakh.
Sechs Wochen Ladakh sind zu wenig, um verlässliche Aussagen
über Mentalität, Lebensstil und Entwicklungsstand machen zu
können. Da aber Ladakh selbst von vielen Ladakhis gerne "klein
Tibet" genannt wird, versuche ich einige Vergleiche mit dem mir sehr
viel vertrauteren Tibet anzustellen. Leh und Lhasa liegen etwa auf der
gleichen Höhe und sind etwa gleich schwer von der Außenwelt
zu erreichen. Während Lhasa aber über den Luftweg von
mindestens zwei Metropolen angesteuert werden kann, gibt es für
Leh nur die eine Luft-Verbindung, nämlich die zwei täglichen
Flüge nach Delhi. Die zwei Überland-Routen können nur in
den Sommermonaten Mai bis September befahren werden. Das erklärt
die für Indien äußerst hohen Preise für Obst,
Bau-Materialien und Benzin. Auch vom technologischen Standpunkt aus
scheint Lhasa weiter entwickelt zu sein als Leh. Dies wird vor allem
durch die Telefon- und Internet-Verbindung deutlich, die in Lhasa
bereits einen funktionell brauchbaren Standard erreicht hat, in Leh
aber immer noch
in den Kinderschuhen steckt. Ich habe oft viele Stunden in einem
Internet-Cafe verbringen müssen, um lediglich ein bis zwei kurze
Mails zu schreiben und nur ebenso wenige öffnen zu können.
Auch über Telefon ist die Kommunikation mit Leh äußerst
kompliziert. Scheinbar gibt es nur wenige Linien, die Tag und Nacht
besetzt sind. Wie in Lhasa
auch, gibt es in den meisten Haushalten nur ein lokales Telefon.
Für
nationalweite oder gar internationale Gespräche muss man zur
Telefonbude
gehen.
Leh ist im Vergleich zu Lhasa (240.000 Einwohner) mit seinen nur 20.000
Einwohnern eine gemütliche, recht provinzielle Kleinstadt.
Die Straßen zwischen alten und neuen Häusern führen
bergauf und bergab. Sie sind recht eng und nicht in besonders gutem
Zustand. Aufgrund des fehlenden Abwassersystems, gibt es viele
Gräben, die sich durch das Straßennetz ziehen und für
Menschen mit Gehbehinderungen oder auch für Blinde tückische
Fußfallen darstellen. Die Ladakhis begegneten mir sehr
freundschaftlich, aber sie scheinen mir auch sehr viel
zurückhaltender und scheuer als die Tibeter, durch ihre
Abgeschiedenheit etwas provinziell und ein wenig konservativ, in
gewisser Hinsicht aber
auch willig, Änderungen, die von außen kommen, ins Auge zu
fassen.
Bericht
Vor etwa zwei Jahren erhielten Paul und ich einen Brief aus Ladakh. Er
kam von Dr. Smanla Punzog, einem dort bekannten Augenarzt, der für
das buddhistische Zentrum Mahaboddhi arbeitet. Er hatte durch die
Deutsche Ina von Seelen,die sich in vielerlei Hinsicht in Leh sehr
engagiert, von unserem Projekt gehört und bat uns nun, bei dem
Aufbau einer Blindenschule behilflich zu sein.
Wir bekommen bereits Anträge dieser Art aus den verschiedensten
Ländern. Da aber Ladakh kulturell und sprachlich
der Autonomen Region Tibet am nächsten steht, schien diese Region
für uns als Prüfstein vor der internationalen Ausweitung
unserer
Projekte gut geeignet zu sein.
Die Frau eines langjährigen Freundes Skalsang
Dolma, eine Ladakhi, die zurzeit in London lebt, war an einer
Zusammenarbeit mit Braille Ohne Grenzen interessiert und war mir in der
Einführungsphase eine große Hilfe. Skalsang kommt aus Leh,
der Distrikt-Hauptstadt Ladakhs und gehört der buddhistischen
Religion an. Religionen spielen in Ladakh eine große Rolle. Es
gibt etwa gleich verteilt, Buddhisten und Moslems. Hindus und Christen
spielen nur eine untergeordnete Rolle. Lange, bis noch vor wenigen
Jahren, gab es große Probleme zwischen den beiden
Hauptreligionen, die sich heute noch oft in Berührungsängsten
ausdrücken. Seit einiger Zeit scheint es aber Bestrebungen zu
geben, den "Religionskrieg" durch ein anderes übergeordnetes
Interesse still zu legen. Die Region Ladakh, die bis heute zur
Jangmu-Kaschmir- Provinz gehört, möchte sich
nämlich als eigenständige Provinz Indiens verstehen. Ladakh
hat eine eigene Sprache, die dem Tibetischen verwandt ist. Auch
kulturell ist Ladakh eher Tibet zugehörig. Man trinkt Buttertee
und isst Tsampa, man singt alte tibetische Lieder und pflegt tibetische
Epen und Geschichten. Der Wunsch der ladakhischen Bevölkerung ist,
als eine eigene, anerkannte Provinz unter der Hoheit Delhis und damit
als Minderheit und eigene Kultur mit eigener Sprache anerkannt zu
werden. Dabei soll die Religionszugehörigkeit möglichst keine
Rolle spielen.
Wir empfinden, dass Blindenausbildungsmöglichkeiten auch nur in
diesem Geiste sinnvoll sein kann. Wir können und wollen uns nur
dann für eine Blindenausbildung in einer Region einsetzen,
wenn blinde Moslems, Buddhisten, Hindus, Christen und religiös
Unabhängige in gleicher Weise die Chance haben, eine spezielle
Ausbildung in Anspruch zu nehmen.
Unser Plan war, mit Hilfe ladakhischer blinder Erwachsener eine
Blindenorganisation zu gründen, die dann, sobald sie einen legalen
Status erhält unser Partner für alle zukünftigen
Projekte in Ladakh sein kann. Der erste Blinde, den ich kennen lernte,
war ein Moslem mit Namen Mansur.
Manzur ist 32 Jahre alt, spricht Ladakhi, Urdu, Hindi und ein wenig
Englisch und wirkt auf mich sehr selbständig und intelligent. Er
ist verwitwet und hat zwei Töchter. Seine Schwester, und dies
schien kaum jemand in Leh zu ahnen, ist ebenfalls blind. Sayid ist 18
Jahre alt und wird zurzeit in einer bekannten moslemischen
Universität ausgebildet. Sie spricht Ladakhi und Urdu und kennt
neben der englischen auch die Hindi-Blindenschrift. Auch sie wirkte bei
unserem Gespräch auf mich als eine Persönlichkeit mit
Selbstvertrauen und eigenständiger Anteilnahme. Leider schien
sie aber von ihrer Familie nicht wirklich ernst genommen zu werden und
wurde später auch bei gemeinsamen Aktivitäten nicht aus dem
Haus
gelassen. In diesem ersten Gespräch beteiligte sie sich aber sehr
rege
und sie, wie auch ihr Bruder waren äußerst interessiert am
Aufbau
einer solchen Organisation.
Zusammenfassung des Gespräches:
Wir wollen eine ladakhische Blindenorganisation ins Leben rufen. Diese
Organisation soll Sprachrohr der Blinden Ladakhs werden. Durch sie
wollen wir zum Ausdruck bringen, auf welche Weise Blinde
unterstützt werden können. Die Blinden sollten mit meiner
Unterstützung ein Papier aufsetzen, in dem die Bedürfnisse
der Blinden klar gemacht werden. Die Regierung soll dann diese
Organisation als Unterorganisation der Indien Association For the Blind
legalisieren. Wir wollten so viele Blinde wie möglich in die
Organisation einbeziehen.
Ziel dieser Organisation wird sein:
•Die Selbstbestimmung der Blinden Ladakhs,
•Das Schaffen und Stärken der Akzeptanz
von Blinden in der sehenden Bevölkerung
•Die Festlegung der Grundbedingung: Qualitativ gute
Arbeitsmöglichkeiten für Blinde schaffen.
(Siehe Anlage 1)
Eine andere blinde Frau, ebenfalls 32 Jahre alt, fanden wir in der
Organisation Secmol. Sie ist eine bekannte Sängerin und lebt auf
dem Secmol-Campus, wo sie als Telefonoperatorin tätig ist. Secmol
ist eine Organisation, die in Ladakh die kulturelle Bildung und die
Regierungsschulen unterstützt.
(siehe Anlage 2)
Einen weiteren Blinden, etwa 23 Jahre alt, trafen wir in Igu, einem
Dorf, das etwa 40 KM von Leh entfernt liegt. Er ist der älteste
Bruder von drei ebenfalls blinden Schwestern, die das Glück
hatten, einen Sponsor zu finden, der ihnen eine Ausbildung in Delhi
ermöglichte. Die Ausbildung in Delhi hat allerdings den
entscheidenden Nachteil, das die drei Mädchen sich nach so langer
Zeit nicht mehr in ihrer eigenen Sprache, also in Ladakhi
ausdrücken können. Die Familie hat so also keine
Kommunikationsmöglichkeit mehr. Der 23jägrige Bruder, Dorje,
hatte jedoch nie eine derartige Chance und wirkte auf mich
zunächst resigniert und äußerst zurückhaltend. Um
vorerst das Eis zu brechen und um diese drei Blinden, die sich nur
flüchtig kannten, erst einmal aneinander zu gewöhnen,
organisierte ich bei meinem ersten Besuch im Juli eine Raftingtour auf
dem Indus. Das war ein voller Erfolg, denn bei dem anschließenden
Gespräch zeigte sich eine zunehmende Offenheit über
Wünsche und auch über Wut zu sprechen. Manzur z.B. hatte von
der Regierung vor etwa 10 Jahren eine Ausbildung zum Automechaniker
für Ersatzteile gesponsert bekommen. Er war dafür zwei Jahre
nach Delhi gezogen und musste seine Familie in Leh zurücklassen.
Als er, gut ausgebildet, wieder nach Leh zurückkehrte, sagte ihm
die Regierung, dass es für Ersatzteil-Hersteller keine Arbeit in
Ladakh gäbe. Sie
könnten ihm aber auch keinen anderen Job anbieten.Er wurde darauf
hin
sehr zornig und beharrte darauf, dass die Regierung ihm nun helfen
solle, einen Ersatzjob zu finden und schließlich bekam er eine
Möglichkeit, im Krankenhaus zu arbeiten.
Thubche Dolma, die blinde Sängerin erzählte, dass sie
Mitglied der vom Namgyal-Institut geleiteten Behinderten-Organisation
sei. Sie habe dort auch schon einmal angemerkt, dass sie sehr an einer
speziellen Blinden-Ausbildung interessiert sei, aber die
Behinderten-Organisation hielt dies für überflüssig und
fürchtete Separationsbestrebungen der Blinden. Bei meinem Besuch
im Namgyal-Institut bemerkte ich ebenfalls Anzeichen für diese
Befürchtungen. Der Leiter dieses Instituts, ein Sohn der
Ladakhischen Königsfamilie, war bei meinem Besuch im Sommer nur
sehr schwer zugänglich. Nach einiger Zeit taute er allerdings auf
und gab zu, dass dieses Institut keine wirklichen Experten für
eine Blindenbildung habe.
Vielversprechend war auf meinem ersten Ladakh-Besuch im Sommer das
Gespräch mit den Vertretern des Hill Councils. Das
Hill Council ist eine relativ neue Institution und gilt hier als die
offizielle Vertretung der Regierung des Leh-Ladakh-Distriktes. Ich nahm
Thubche Dolma und Manzur als zukünftige Blindenvertreter mit zu
dieser Sitzung. Leider ließ man sich von offizieller Seite aber
nicht auf sie und ihre Wünsche ein, sondern reagierte lediglich
auf mich.
Zusammenfassung des Gesprächs: Das Hill Council war bei diesem
ersten Gespräch davon angetan, eine spezielle Blindenvertretung
unter der Indischen Blindenorganisation zu gründen. Die
politischen Vertreter baten uns, Statuten und Zielsetzung für
diese Organisation aufzustellen. Auch die spezielle Blindenausbildung
für ladakhische Blinde, im Besonderen ein eventuell zu
errichtendes Zentrum, stieß auf großes Interesse. Zu meiner
Verwunderung fragte man mich, wie viel
Geld die Regierung dazu beitragen dürfe. Auf diese Frage war ich
zunächst
gar nicht vorbereitet. Ich erwähnte, dass es notwendig sei,
Statistiken
über die Anzahl von Blinden und Sehgeschädigten in Ladakh
anzufertigen.
Ich erklärte, dass ein Mönch, der sich die Errichtung eines
Augenheil-Zentrums zum Ziel gesetzt habe, bei diesen Statistiken helfen
wolle. Die Vertreter wehrten jedoch ab und meinten, dass eine genaue
Statistik Aufgabe der Regierung sei. Nur die Regierung habe die Mittel,
sämtliche Dörfer in allen unterschiedlichen Regionen durch
den Regierungsverteiler zu erreichen. Natürlich war ich über
diese Nachricht hoch erfreut und erkundigte mich, bis
wann diese Zahlen denn zusammengestellt werden könnten. Man
versprach
mir, alles im Oktober fertig zu stellen, so dass ich dann entsprechend
planen
könne.
Zunächst entwickelte ich den Plan zu einem kurzen aber intensiven
Workshop für blinde Erwachsene, in dem Mobilitätstechniken,
lebenspraktische Fertigkeiten und Braille-Schrift ansatzweise
vorgestellt werden sollte. Das Institut Secmol war von diesem Plan sehr
begeistert und lud mich ein, diese Ausbildung in ihrem Campus
anzubieten. Der Secmol-Campus bietet hervorragende Möglichkeiten,
Workshops dieser Art durchzuführen. Die sehr umweltfreundliche und
energiesparende Planung des Baus durch den ladakhischen Leiters
Anchug, sieht vor, dass Gebäude im Winter durch die Sonne zu
beheizen. Richtung Süden werden die Gebäude mit
Plastikplanen, wie bei Grünhäusern umspannt, sodass auch im
Winter Tagungen und Unterrichtseinheiten organisiert werden
können. Im Juli traf ich ebenfalls den Leiter des
Mahaboddhi-Zentrums, Sanga Sena, dessen Mitarbeiter uns vor einigen
Jahren den Vorschlag gemacht hatte, im Rahmen des buddhistischn
Zentrums eine Blindenschule einzurichten. Das Mahaboddhi-Zentrum ist in
all seiner Vielseitigkeit sehr inspirierend. Es beherbergt neben
Schulen, auch ein Altersheim, ein Krankenhaus, ein kleines
Nonnenkloster
und vieles mehr. Aus einer Wüste hat Sanga Sena ein richtiges
Paradies
geschaffen.
Trotz mehrmaliger Nachfrage während der Monate August, September
und Oktober, wurden die Versprechungen, eine genaue Statistik über
Blindheit und Menschen mit Sehschädigungen zu erstellen,
nicht erfüllt. Als ich Mitte November nach Ladakh
zurückkehrte zeigte man sich von Seiten des Hill Councils
zunächst einmal sehr viel weniger engagiert, als im Sommer zuvor.
Man schickte mich zum Regierungshospital und ich sprach mit dem
Gesundheitsminister Sonam Dawa, der mir seinerseits Listen von Menschen
mit unreparablen Augenproblemen vorlegte. Diese Listen waren aber nicht
sehr genau. Aus ihnen konnte man weder das Alter, noch die
Sehstärke und vor allem nicht die genaue Adresse
erschließen. So
blieben auch einige Exkursionen auf der Suche nach Blinden in die
umliegenden Dörfer von Leh größtenteils erfolglos.
Für den Workshop schien sich Sonam Dawa sehr zu interessieren und
bat uns, vier Allgemeinmediziner aus den vier Leh Distrikten und einen
Augenarzt schicken zu dürfen. Sie
sollten für zwei Tage an diesem vier- bis fünftägigen
Workshop
teilnehmen.
Der viertägige Workshop hatte zwar nur sieben
Teilnehmer, erregte aber großes Medien-Interesse. Es kamen die
drei
blinden Erwachsenen, mit denen ich schon vorher Kontakt hatte, ein
Ophtomologist vom Mahaboddhi-Zentrum und an den ersten zwei Tagen die
drei Ärzte, die uns der Gesundheitsminister angekündigt
hatte. Zwei weitere blinde Erwachsene hatten nach längerem
Zögern doch zu viel Angst, sich auf eine Woche außerhalb
ihrer gewohnten Umgebung einzulassen. Aber auch wenn es nur so wenige
Teilnehmer gab, war der Workshop alles in allem ein großer
Erfolg. Alle genossen die Umgebung, die unterschiedlichen
Aktivitäten und im Besonderen die allmorgendlichen
Diskussionsrunden, in denen die blinden Teilnehmer für ladakhische
Verhältnisse sehr
offen von ihrem Leben, von Ängsten, Wut, Trauer und von
Wünschen erzählten. In der letzten Gesprächsrunde bat
ich die Blinden, sich einmal zu überlegen, wie ihr Leben wohl
verlaufen würde, wenn sie nicht blind wären. Manzur, der
gerne die Trainings- und Aufklärungsarbeit von Braille ohne
Grenzen in Ladakh übernehmen möchte, sagte, er
würde aufgrund seines Temperamentes wohl ähnliches soziales
Engagement entwickelt haben. Er hätte es auf der einen Seite wohl
leichter
gehabt, eine gute Ausbildung zu bekommen, andererseits fiele ihm das
soziale
Engagement und das Wissen, wie und vor allem was zu tun sei, sehr viel
leichter,
da er selbst betroffen sei und die Bedürfnisse von Blinden besser
einschätzen
könne. Die in Ladakh sehr bekannte Sängerin Tubche Dolma
reagierte
auf meine Frage folgendermassen: "Wenn ich sehen könnte, lebte ich
immer noch in meinem abgelegenen Dorf, wäre verheiratet und
hätte
drei Kinder. Ich hätte nicht die Möglichkeit, Sängerin
zu
werden und vor allem hätte ich nicht die Gelegenheit gehabt, so
viel
Neues wie in den letzten Tagen zu lernen und zu erleben." (Zur
genaueren
Konzeption des Workshops Siehe Anlage 3) Der ladakhische Radiosender
nahm
ein halbstündiges Gespräch mit einigen Blinden und mir auf
und
das lokale Fernsehen berichtete über die Aktivitäten des
Workshops und zeigte sogar eine 20minütige Diskussionssendung mit
fast allen
Teilnehmern.
Am letzten Workshop-Tag fuhren wir zusammen nach Leh, um den
internationalen Tag der Behinderten zu feiern. Umgeben von
sämtlichen Funktionären Ladakhs hielt Manzur eine Rede, in
der er begeistert von dem Workshop berichtete. Er sei nun fähig,
die Blindenschrift einzusetzen, sagte er und nahm einen Zettel heraus,
auf dem ich ihm einen kleinen Übungssatz aufgeschrieben hatte. "If
there is a will there is a way!" Er erntete für diese Rede
großen Beifall und der oberste des Hill Councils Tubsten Zewang
verkündete, dass im nächsten Jahr mit Hilfe von Braille
Without Borders ein Zentrum für Blinde und Sehgeschädigte
entstehen solle. Ich bat daraufhin, man solle doch Manzur als
Projektmanager dafür vorsehen, und wir würden ihn gerne in
unserem zukünftigen Zentrum in Südindien für diesen Job
ausbilden und vorbereiten. Die Herren Funktionäre schienen von
dieser Idee angetan. Doch um es ihnen nicht zu leicht zu machen, sagte
ich ihnen, dass sie sich während dieser
Trainingszeit finanziell um seine Familie kümmern sollten, da
Manzur
der einzige Verdiener sei. Auch dies versprachen sie mir in der
allgemeinen
Euphorie.
Wir werden sehen, was von diesen Versprechungen letztlich übrig
bleibt.
In der Nähe des Marktplatzes von Leh mietete ich für ein Jahr
einen Büroraum, in dem ich Unterlagen und Hilfsmittel, die ich vom
Workshop übrig hatte, verstauen kann. Das Büro ist ein
großer und heller Raum mit Fenstern nach Süden und nach
Osten. Aus dem Fenster blickt man in einen grünen Garten und vor
der Eingangstür des Büros kann man wunderbar in der Sonne
sitzen, um zu lesen oder mit Besuchern Tee zu trinken. Das Büro
befindet sich im Malpak Distrikt, in einer Herberge, die von einer sehr
netten Familie geführt wird. Als Kontaktperson habe ich Manzur,
den blinden Moslem eingestellt. Er ist überaus intelligent und
sehr bereit und hartnäckig genug, wenn es darum geht, der
Regierung auf die Füße zu treten, falls sie ihre Versprechen
vergessen sollte.
Kurz vor meiner Abreise nach Delhi hatte ich jedoch eine Sitzung mit
dem Sozialminister, in der man mir sagte, dass ich die Aussage am
dritten Dezember vom Tag der Behinderung ruhig ernst nehmen könne.
Man habe jetzt entschieden, unserer Organisation "Braille ohne Grenzen"
Land zum Bau eines Rehabilitations- und Trainingszentrums zur
Verfügung
zu stellen. Nach Aufbau und Einrichtung dieses Zentrums wird die
Regierung
die laufenden Kosten übernehmen.
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