Liebe
Freunde und Förderer!
Es
geschieht nicht sehr oft, dass man morgens mit dem Gefuehl aufwacht,
dass von nun an ein neuer Lebensabschnitt beginnt.
Ein erster Bericht vom IISE aus
Kerala
Es war um
6:30 Uhr in der Frühe, eine kühle Brise zog vom See herauf.
Paul und ich liefen über die frisch gepflasterten Wege zwischen
den noch leeren Gebäuden, als wir plötzlich von
dröhnendem Gelächter begrüsst wurden. Die ersten drei
Teilnehmer waren angekommen und sassen bei Kaffee und Bananen im
sonnigen Auditorium des IISE. Eric und Julius aus Ghana und Hussni aus
Saudi Arabien, alle drei in schicken Anzügen und geputzten
Schuhen. 'We made
history!' riefen sie uns entgegen. 'We are the first participants who
entered this building!'
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Von Links nach
Rechts: Martin and Holi. (Madagascar), Pynhoi (India),
Mohamed (Sierra Leone), Kyila (Tibet/China), Sahr (Liberia) and Eric
(Ghana) |
Zwei Tage
lang fuhren wir zwischen dem IISE-Campus und dem Flughafen hin und her.
Endlich, mit dem Eintreffen unserer tibetischen Teilnehmer Kyila und
Gyendsen, waren wir fast vollzählig. Nur die vier Liberianer waren
irgendwo auf dem Weg zwischen Monrovia und Lagos verloren gegangen.
Niemand
schien sie auf dem Flughafen in Lagos gesehen zu haben. Eigentlich
merkwürdig, denn vier blinde Reisende auf einen Schlag sieht man
doch nicht gerade häufig.
Wir waren
voller Sorgen, sie hatten kein Geld, um sich etwas zu essen zu kaufen.
Auch hätten sie uns nicht anrufen können. Dank eines
freundlichen Mitarbeiters der zuständigen Airline konnten wir sie
aber dann doch nach 24-stündiger Suche wieder auffinden. Das Hallo
war gross und alle wurden mit einer Party, mit Tanz, Gesang und
Getrommel begrüsst.
Ein
Rückblick ins Jahr 2008 füllt uns bei all den neuen
Eindrücken nicht leicht. Da wir seit September selbst nicht mehr
in Tibet waren, haben wir Nyima, Yudon und Mike gebeten, einen kurzen
Überblick uüber die Geschehnisse in Lhasa und Shigatse zu
schicken.
Nyima und
Yudon:
Nach den
Unruhen im letzten März (siehe dazu auch den Halbjahresbericht von
Juli 2008), hat sich Tibet wieder beruhigt. Es gibt wieder ein paar
Touristen, aber nicht besonders viele.
Der
Massage Klinik geht es auch deswegen nicht so gut wie im Jahr 2007,
aber Tashi und Tendsin haben grosse Hoffnungen für 2009.
Wir haben
neue Kinder aufgenommen. Am Anfang waren sie ein wenig schüchtern,
aber das hat sich schnell gelegt. Viele unserer Schüler sind in
die reguläre Schule aufgenommen worden und die Lehrer sind sehr
überrascht und freuen sich über die blinden Kinder, denn sie
lernen schnell.
Vier
Schüler lernen jetzt in der Massage-Klinik und sie leben auch in
einer Wohnung ausserhalb der Schule. Ngudup studiert Musik und sein
Lehrer ist sehr stolz auf seinen einzigen blinden Schüler. Er
sagt, dass viele sehende Schüler sich nicht wirklich für eine
gute Ausbildung interessieren. Aber Ngudup nimmt seinen Unterricht sehr
ernst und ist ausserdem sehr talentiert.
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Schüler in Lhasa befühlen ein taktiles Bild.
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Wir hatten
im letzten Jahr zwei Freiwillige. Sie haben uns sehr geholfen. Lobsang
ist immer noch hier. Seine Eltern möchten, dass er eine 'richtige'
Arbeit macht, aber bei uns ist er, wie er sagt, glücklich. Er
sieht uns als Freunde, sieht keinen Unterschied zwischen Blinden und
Sehenden und ärgert sich über Leute, die sich schämen,
mit Blinden durch die Stadt zu laufen.
Am 15.
Oktober haben wir den Tag der Blinden vor dem Potala gefeiert. Das
machen wir jedes Jahr, aber in diesem Jahr gab es nicht so viele
Menschen. Dafür haben wir dann in der Schule eine Party
organisiert und auch andere Blinde eingeladen.
In diesem
Jahr haben wir den internationalen Tag der Behinderten mit einem
Schreibwettbewerb gefeiert. Drei unserer Schüler haben die Gold-,
die Silber- und die Bronze Medaille bekommen. Die Preise wurden von der
"Tibet Disabled Persons Federation" und von "Handicapped International"
vergeben.
Wir haben
zwei sehr nette neue Lehrer ausgesucht und eingestellt. Jetzt haben wir
sechs Lehrer. Zwei von uns waren drei Wochen in Shanghai in einer
internationalen Schule und haben neue Unterrichtsideen mitgebracht. Sie
haben viel von unseren Schülern erzählt und alle waren froh
über den Austausch.
Adrun und
ich wurden im November von Bild der Frau nach Berlin eingeladen. Adrun
mochte das Essen und die Leute, ich mochte Berlin und vor allem den
Zoo.
Sabriye:
Nyima und
Adrun stürmten als Überraschungsgäste auf die
Bühne, als mir der Publikumspreis der Bild der Frau in Berlin
überreicht wurde. Paul und die Mitarbeiterinnen der Bild der Frau
hatten alles hinter meinem Rücken organisiert. Es war für
mich und das Publikum eine Riesenüberraschung.
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Preisverleihung der
'Goldene Bild der Frau' Von links nach Rechts:
Ursula von der Leyen, Kai Pflaume, Nyima, Sabriye und Adrun.
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Liebe
Freunde, Förderer und Mitglieder, ich möchte mich in diesem
Rahmen noch einmal ganz herzlich für Ihre Stimmabgabe bedanken.
Denn aufgrund der vielen abgegebenen Stimmen haben wir für Tibet
diesen tollen Preis bekommen, einen Preis, der uns in den schwierigen
Zeiten von 2008 sehr über die Durststrecke geholfen hat.
Paul:
Und es gab
in diesem Jahr noch reichlich Anerkennungen:
Den 'Hands on Award' (New York), vergeben durch die National Braille
Druckerei und den
'Life Award' (Österreich, Linz), eine Art Oscar für
Behinderte. Sabriye bekam die Statue aus den Händen von Geraldine
Chaplin.
Und aus
China gab es folgende Nachricht:
'Ein
Riesenreich verbeugt sich
Chinesische
Regierung würdigt die Arbeit der Swisttalerin Sabriye Tenberken in
Tibet'
'Neben den
beiden Russen Lenin und Stalin, nahmen auch zwei Deutsche auf Chinas
Revolutions- und Aufbauzeiten im letzten Jahrhundert Einfluss: Karl
Marx und Friedrich Engels. Für die jüngsten 30 Jahre der
Reformen und Öffnung, die der Volksrepublik zum weltweiten
Aufstieg ins 21.Jahrhundert verhalfen, waren Ideologen jedoch nicht
mehr gefragt'.
'Die
Zeitschrift 'International Talent Monthly', herausgegeben vom
chinesischen Aussenministerium, reiht die 38jährige Sabriye
Tenberken, die in Swisttal-Morenhoven aufgewachsen ist und heute in der
tibetischen Hauptstadt Lhasa lebt, in die Liste der 15
einflussreichsten ausländischen Personen der vergangenen 30 Jahre
in China ein.'
Die
Auszeichnung freut uns natürlich sehr, denn das bedeutet, dass
unser Projekt nicht nur von oberster Stelle anerkannt wird, sondern
dass auch Blinde in der Gesellschaft Einfluss
nehmen können.
Sabriye:
Wir sehen
diese Auszeichnung als Auftakt für unser neues Projekt in Kerala:
Das Zentrum für 23 hoch motivierte Teilnehmer aus 14 verschiedenen
Ländern - ein kochender Vulkan voll
Kreativität und Ideen, voll Geschichten und Aktionen. Wir haben
alle Hände voll zu tun, vielleicht hatten wir noch nie so wenig
Schlaf, aber wir waren auch noch nie so energiegeladen wie in dieser
Zeit.
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Auditorium
am Abend
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Mike:
Übersicht
über Geschehnisse in der Farm bei Shigatse:
KAESEPRODUKTION / MARKETING
Eine nationale Supermarktkette mit verschiedenen Läden in Tibet
hat sich bereit erklärt, unsere Milchprodukte zu vermarkten und
spezielle Marketing-Anzeigen in ihren Geschäften in Tibet zu
veröffentlichen.
Dieser
Schritt erforderte Kontrollen durch die lokale Gesundheitsabteilung,
die nationale Abteilung für Nahrungsmittelhygiene, eine Abteilung
für den Umweltschutz und durch das Finanzamt. Vier Prüfer vom
nationalen Ministerium für Lebensmittelsicherheit kamen zu einem
überraschenden Kontrollbesuch. Sie waren von dem, was sie sahen,
sehr beeindruckt und erteilten der Käserei und der Farm eine
offizielle Lizenz zum Gebrauch von regierungsamtlichen
Sicherheitsfirmenzeichen für unsere Produkte. Es ist
natürlich schon eine Herausforderung, die
Nachfrage zu befriedigen und gleichzeitig den Standard, für den
wir amtliche Zustimmung gewonnen haben, beizubehalten.
UMWELTFREUNDLICHE ECOSAN-TOILETTEN:
Die ersten selbstgebauten Kompostierungs-Toiletten wurden dieses Jahr
durch professionelle Modelle ersetzt. Die neuen Modelle werden in
Guangdong hergestellt. Sie wurden auch während der Olympischen
Spiele in Beijing genutzt. Auch wurde eine neue Reihe von
ECOSAN-Toiletten für Personal- und Kursteilnehmer näher an
den Aufenthaltsräumen gebaut. Diese Toiletten scheiden
Urin und Faekalien, und das ohne Wasser.
Zusätzlich
wurden Minigewächshäuser über den Fenstern an der
Südseite der Kompostierungsanlage gebaut. Dies beschleunigt den
Kompostierungsprozess erheblich, vor allem im kalten tibetischen Winter.
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Farm
in Shigatse Spätsommer 2008
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BRAUCHWASSER
Um die
Natur weiter zu schützen, wurde entschieden, überall in der
Farm, wo Wasser verbraucht wird, z.B. für
Wäsche, Duschen, Geschirrspülen, Küche usw
Grau-Wasser-Sammelpunkte zu konstruieren. Diese basieren auf einer
septischen Tankkonzeption mit 3 Räumen. Der dritte Raum ist
einfach ein grauer
Wasservorratsraum mit einer manuellen/elektrischen Pumpenwahl für
die Extrahierung des Grauwassers für den Gebrauch in den
Gewächshäusern, Blumengärten, auf dem Felde und -
gestatten Sie es uns - für
eine Eis-Hockey Bahn.
GEWÄCHSHÄUSER - KÜCHE -
GARTENARBEIT
Vier unserer sechs Gewächshäuser sind unter Verwendung der
Ladakh-Methode, erneuert worden. Diese Methode wurde genutzt, da die
klimatischen Verhältnisse auf der tibetischen Hochebene dem extrem
kalten Winter in Ladakh sehr ähnlich sind. Die strengen Winter
erfordern externe Winterdecken, um die während des Tages
aufgestaute Hitze in der Nacht im Gewächshaus zu speichern. Die
externen Decken werden trotz aufwendiger Verankerungen von den heftigen
Winden weggeweht und verursachen dadurch erheblichen Schaden. Um sie
wieder in Stellung zu bringen, müssen Mitarbeiter aufs Dach, was
wiederum Schaden verursacht. Die Ladakh-Methode beseitigt die
Notwendigkeit der zusätzlichen Winterdecken. Da es im
Gewächshaus keine Säulen mehr gibt, kann man innen
'Vorhänge' wie eine Gardine unter das Plastikdach schieben. Es
entsteht dadurch eine grosse 'Luftkammer', die das ganze
Gewächshaus isoliert. Sie werden, beim Arbeiten während des
Tages leicht beiseite geschoben und am Abend wieder geschlossen. Auch
schützt diese Methode vor Schaden von heftigen Stürmen, die
Tibet jährlich von Januar bis April heimsuchen.
KOMPOSTANLAGE
In der Kompostierungsanlage wurde im letzten Jahr über 2 Tonnen
Kompost produziert.
TEPPICH-KNÜPFEN / STRICKEN
Während die Produktionsmethoden dieselben blieben, (traditionelle
tibetische Webgerüste, Nutzung natürlicher
Farben, etc.) hat das Projekt dieses Jahr damit begonnen, Wolle
direkt von den umgebenden tibetischen Dörfern zu kaufen. Da wir
jetzt das Kardieren und das Spinnen des Garns selbst machen, hat dies
den Vorteil, dass der Zwischenhändler ausgeschaltet wird und wir
größere Kontrolle über die Qualität des Garns
haben. Da die Kursteilnehmer für das tibetische Neujahr zuhause
bei den Eltern sind, füllen unsere Mitarbeiter die langen
Winterabende mit dem Spinnen von Garn, am Ofen im
Esszimmer und trinken dabei süßen Tee.
5
Ex-Schüler der Teppich Knüpferei / Strick Ausbildung leben
und arbeiten mittlerweile in Shigatse. Da in 2008 der Tourismus stark
abgenommen hat und die Ex-Schüler das erste Mal auf eigenen
Füßen stehen, hat BWB ein Mikro-Darlehen
vorgestreckt, welches sie in den folgenden 3 Jahren
zurückerstatten.
BIOBÄCKEREI
Der Rohbau der neuen Bäckerei ist mittlerweile
fertig. Jetzt muss aber noch die Einrichtung und der Feinschliff
gemacht werden. Die Landschaftsgestaltung um die
Bäckerei hat zwar angefangen, aber nachdem der Winter früher
als erwartet eingesetzt hat, sind die Saisonarbeiter zu ihren
Dörfern zum Feiern des neuen Jahres zurückgekehrt.
Hoffentlich wird alles im Sommer fertig werden, damit der tibetische
Bio-Bäcker aus Berlin das Training starten kann.
VIEHWIRTSCHAFT
Im Sommer wurden zwei Sonnenschutzdächer für die Kühe
und Pferde konstruiert. Durch Reaktivierung und Renovierung eines alten
Brunnens wurde die Wasserversorgung für unsere Tiere fertig
gestellt. Ein junger Stier wurde gekauft und ist jetzt der stolze Vater
von zwei Töchtern und von einem Sohn.
LANDWIRTSCHAFT
Sechs weitere 'mu' (1 mu = 666.66 m2, also 4000 m2) Land wurde für
den landwirtschaftlichen Gebrauch umgewandelt. Jetzt ist die
für die Landwirtschaft zur
Verfügung stehende Landmenge auf 96 mu (64000 m2) angewachsen. Getreidesorten,
die auf diesem Land angebaut werden, sind Frühjahrsweizen,
Sommergerste, Roggen, Winterweizen, Hafer, Rapssamen (canola),
Sommergerste, 2 Kartoffelsorten. Durch die Mischung der 'Erträge'
aus Ecosan-Toiletten und Kompostierungsanlage kam
die Kartoffelernte auf 32.8 Tonnen.
NEUE KURSE
Musik: Die ersten Schritte zu einer
Abteilung Musik sind gemacht. Räume sind schon eingerichtet.
Traditionelle tibetische Drobnyes
(tibetische Gitarren) und andere Instrumente sind auch schon vorhanden.
Direkt nach den Lossar-Ferien wird Ngudup aus Lhasa seinen neuen Job
als Musiklehrer beginnen.
Englisch:
Ein neuer Englischlehrer ist für die Kursteilnehmer und für
das Personal eingestellt worden.
BESUCHER
Im Jahre 2008 gab es keinen
Besuch von Touristen, dafür umso mehr von Regierungsbeamten,
vom Aussenministerium, PSB, und TDPF.
Dr. Marc
Liebermann aus der USA richtete ein Mini -Augen- Operationscamp
für unsere Kursteilnehmer und unser Personal ein. Einer unserer
Kursteilnehmer, Lobsang, wurde erfolgreich an Katarakt operiert.
Paul und Sabriye:
Wir hoffen
bald, unsere neue Webseite www.bwb-iise.org mit all den Artikeln und
Tagebuchnotizen unserer Teilnehmer zu eröffnen.
Im Namen
aller Schüler, Teilnehmer und Kollegen in Tibet, Indien und in
vielen anderen Ländern, möchten wir uns ganz herzlich
für all die Unterstützung, Wünsche, Ideen und
Vorschläge bedanken.
Mit
vielen Wünschen und herzlichen Grüßen aus einem Zentrum
voll Gelächter, Diskussionen, Gesängen und Zukunftsvisionen,
Ihre
Sabriye Tenberken, Ihr Paul Kronenberg.
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